Kirchen als Aktionäre?

Kirchen als Aktionäre?

Diese Woche war ich Teilnehmer bei einer sehr interessanten Veranstaltung: Dem "Forum ethisch-nachhaltiges Investment" 2021, im KSI (Katholisch-Soziales Institut) in Siegburg.

Dabei gefiel mir bereits der Veranstaltungsort außerordentlich: Es handelt sich um die ehemalige Benediktinerabtei St. Michael. Das Klostergebäude liegt auf dem Michaelsberg, der sich ca. 40 Meter über der Stadt Siegburg erhebt.

Dem Zeitgeist zu "verdanken" ist die Schließung der Abtei im Jahr 2011 - nach fast tausendjähriger Geschichte.

Doch die Gebäude werden nach umfangreicher Renovierung weiter genutzt, und sie haben einen ganz besonderen Charme. So befindet sich dort nun ein Hotel und eben besagtes KSI, wo die Tagung stattfand. Hier einige Impressionen:

Siegburg

Doch zur Sache, Schwestern und Brüder! Die Kernidee, die bei der Tagung im Mittelpunkt stand, lautete (ich zitiere den Veranstalter):

Nicht ausschließlich Renditen erwirtschaften, sondern zugleich weltweit Lebensverhältnisse sozial und ökologisch verantwortlich mitzugestalten: Das ist die Kernidee ethisch-nachhaltigen Investments. Eine Reihe von kirchlichen Einrichtungen nutzt bereits das ethische Investment, um ihre Geldanlage mit christlichen Wertvorstellungen in Einklang zu bringen. Entlang des Prinzips "vermeiden – fördern – gestalten" nehmen kirchliche Investoren aktiv Einfluss auf die Entwicklung und Förderung ökologisch-sozialer Unternehmen und Wirtschaftsstrukturen. Sie setzen so Signale für bessere Arbeitsbedingungen, soziales Engagement und eine nachhaltige Wirtschaft.

Quelle: Veranstalter Forum ethisch-nachhaltigs Investment

Damit rannte der Veranstalter bei mir gewissermaßen offene Türen ein. Das Programm sah auch gut und spannend aus - insbesondere interessierte mich im Vorfeld die Frage, wie man aus sauberen, aber branchenfremden Überlegungen zu belastbaren Entscheidungen in der Wirklichkeit gelingen kann.

Die Tagung begann nach einigen Grußworten mit einem Vortrag von Monsignore Professor Dr. Peter Schallenberg – dieser war live aus Rom zugeschaltet. Dieser ist aktuell mit dem Verfassen des Papiers "Mensuram bonam" beschäftigt und gab dazu einige interessante Einblicke.

Ein weiterer Referent war Prof. Dr. Timo Busch, Professor für Betriebswirtschaftslehre. Er stellte "4 zentrale Fragen" in den Raum (siehe Fotografie unten).

Einige Fragen bezeichnete er als "abgehakt" - so zum Beispiel die Frage, ob ethisch-nachhaltige Geldanlage nicht einen Rendite-Nachteil hat gegenüber konventioneller Geldanlage (nein, so Prof. Dr. Busch).

Ich finde in dem Kontext: Ein Investmentfonds oder eine Bank kann das Thema ethisches Investment durchaus nur deshalb vertreten, weil sie sich damit strategisch gut positioniert und mehr "Assets under Management" erreichen will. Ist durchaus legitim.

Für kirchliche Geldanlage sollte dieses Thema aber auch ein inneres Anliegen sein, Stichwort zum Beispiel Bewahrung der Schöpfung. Auf diese Weise agiert man auch glaubwürdig.

Da in erster Linie katholische Akteure anwesend waren, hoffe ich, dass Entscheidungsträger erreicht wurden.

Mein vielleicht fehlerhafter Eindruck: Es fehlt eine einheitliche Finanzverfassung der deutschen Bistümer - es ist noch nicht einmal klar, wer in welchem Bistum die Finanzen wie anlegt. Und es geht um keine geringen Summen - es wurde einmal die Summe von insgesamt 18 Mrd. Euro genannt. Von einer einheitlichen ethisch-nachhaltigen Geldanlage der kirchlichen Mittel kann insofern keine Rede sein.

Ich persönlich fand diesen Punkt sehr enttäuschend und auch nicht im Sinne der Enzyklika Laudato si´ des von mir sehr geschätzten Papst Franziskus. Dieser hatte sich da z.B. so geäußert:

Die Finanzkrise von 2007-2008 war eine Gelegenheit für die Entwicklung einer neuen, gegenüber den ethischen Grundsätzen aufmerksameren Wirtschaft und für eine Regelung der spekulativen Finanzaktivität und des fiktiven Reichtums. Doch es gab keine Reaktion, die dazu führte, die veralteten Kriterien zu überdenken, die weiterhin die Welt regieren.

Quelle: Enyzklika Laudato si´ (2015), der Text ist vollständig einsehbar unter diesem Link

Probleme sind nach dieser Ansicht durchaus auch Chancen in Verkleidung. Wenn die Finanzkrise ein Umdenken bewirkt hätte, hätte das letztlich zum Wohle der gesamten Menschheit sein können.

Nun ja, hätte, hätte...(Sie kennen das Zitat bestimmt).

Ich mag es allerdings lieber, lösungsorientiert zu denken. Und mit dieser Einstellung ging ich in die folgenden Workshops.

Dort nahm ich an zwei Workshops teil:

  1. "Sustainable Finance – Best Practice Österreich?”
  2. "Schweigen ist Silber - Reden ist Gold: Engagementansätze für ethisch-nachhaltige Investoren"

Mit den Referenten der beiden von mir gewählten Workshops hatte ich Glück. Sehr kompetent, engagiert und mit gutem Vortragsstil - Chapeau!

Beim Thema "Best Practice Österreich" gab Herr Dr. Gabriel einen äußerst lebendingen und interessanten Eindruck von der Situation in Österreich.

Hier einige Schlagworte, die ich mir während seines Vortrags notiert habe:

  • 1978 Volksabstimmung gegen Atomkraftwerk Zwentendorf
  • Konsens in Ö: Gegen Atomenergie
  • Fast ein Viertel der landwirtschaftlichen Betriebe setzen auf Biolandbau
  • Umweltzeichen 49“ (UZ49, sind durch nummeriert) = staatliches Gütesiegel, seit 2004 auch für nachhaltige Finanzprodukte.
  • Dieses Gütesiegel hat Gutachter, darunter z.B. Referent Dr. Klaus Gabriel
  • Ausschlusskriterien: bei Staaten z.B. muss Militärbudget unter 4% sein
  • FinAnKo Überblick (auf Initiative von Finanzkammerdirektoren)
  • Beteiligte: Österreichische Bischofskonferenz, Ordensgemeinschaften Österreich
  • Inhalt: Kriterien für eine Ethische Geldanlage
  • Vorbildrolle der Kirche          Christliche Werteorientierung

Beim Workshop "Schweigen ist Silber - Reden ist Gold" wiederum war ich sehr erfreut, dass ich hier - endlich - einmal einen Vertreter einer Kirchenbank traf, die das Thema Engagement ernst nehmen. Konkret:

Der Vertreter der BKC (= Bank für Kirche und Caritas eG) - Tommy Piemonte - nimmt seine Funktion "Leiter Nachhaltigkeitsresearch" offensichtlich sehr ernst. Aktuelles Beispiel: Er sprach vorigen Monat virtuell vor dem brasilianischen Parlament.

Dazu zitiere ich seine Bank:

Dabei unterstrich Tommy Piemonte, Leiter Nachhaltigkeitsresearch bei der BKC, in seinem Vortrag und der anschließenden Diskussion die Dringlichkeit der ökologischen und sozialen Probleme im Amazonas und welche Rolle diese auch für Investoren spielen. Marcelo Freixo fasste im Ergebnis des Austauschs zusammen, dass die von der Regierung geförderte Umweltzerstörung enorme Auswirkungen auf die brasilianische Wirtschaft haben kann und schon hat, da sie Investoren vertreibt. Deshalb sei es wichtig, dass die Opposition die Regierung zu Verhandlungen drängt, in denen auch die Bedenken der Investoren Eingang finden sollen.

Ein weiteres Beispiel: Die BKC engagiert sich im Hinblick darauf, dass der afrikanische Staat Namibia der UN-Biowaffenkonvention beitritt. Hebel dafür ist ein (überschaubares) Investment der BKC in namibische Staatsanleihen.

Da ich voriges Jahr in Namibia war, konnte ich mich vor Ort davon überzeugen, dass das diesbezügliche Engagement der BKC ein Thema ist. Und besonders freut es mich, wenn es so vor Ort so wahrgenommen wird, dass eine christliche Bank solche Schritte geht.

Leider macht die BKC meinem Eindruck zufolge ihr vorbildliches Engagement nicht gerade stark publik (um es einmal so auszudrücken). Die haben übrigens auch eine schöne Performance bei ihrem Aktienfonds. Also eigentlich eine super Kombination. Vielleicht mal einen näheren Blick wert.

Vorbildlich aus meiner beschränkten Sicht übrigens auch die Steyler Ethikbank - höchste Kompetenz verbunden mit klarem ethischen Anspruch und Glaubensstärke, ich war und bin beeindruckt.

Was noch?

Mir fiel auf, wie engagiert insbesondere manche Vertreter(innen) von katholischen Bistümern und Organisationen wie Miserior waren - nach dem Motto, wir konzentrieren uns auf die kirchlichen Aufgaben, aber mit dem Geld, das übrig ist, wollen wir nicht nur passiv sparen, sondern Gutes tun. Da da offensichtlich die diversen Organisationen und Orden und Diözesen ihr eigenes Süppchen kochen, fand ich diese strukturelle Aufstellung nicht gerade optimal. Dies auch deshalb, weil auf Ebene der kleineren Einheiten zwangsläufig manchmal finanzielles Wissen fehlt. So ging es einem Teilnehmer darum, wie er die Negativzinsen umgehen könne, die die Hausbank seiner Organisation auferlegen möchte. Offensichtlich war er für die Anlage der Gelder seiner kirchlichen Organisation zuständig.

Mein Fazit war deshalb: Sehr viel guter Wille auf Ebene der Entscheidungsträger, aber noch ein weiter Weg, der zu gehen ist. Als es mir bei einem Workshop ein wenig zu theoretisch wurde, hakte ich nach: Schön und gut, dass z.B. die Pax Bank (katholische Universalbank) auch Engagement Strategien verfolgt. Auf der Powerpoint Präsentation sah das schön aus: Man trete mit Unternehmensverantwortlichen in Dialog, man nehme die Stimmrechte direkt oder indirekt wahr ("Vote Strategie" heißt das auf Neudeutsch) und man verfolge auch eine "Exit-Strategie" aus Unternehmen, die sich "trotz intensiven Dialogs nicht konkreten Nachhaltigsthemen annehmen".

Zum Thema "Vote Strategie" fragte ich da den Vertreter einer anderen kirlichen Bank, wieso diese denn dann so selten auf Hauptversammlungen verteten sei. In all den Jahren, in denen ich auf Hauptversammlungen gehe, habe ich noch nie einen Vertreter einer kirchlichen Bank das Wort ergreifen hören.

Die Antwort lautete sinngemäß, dass die Bank die Ausübung ihrer Stimmrechte an Union Investment übertragen habe. Die würden auch mit dem jeweiligen Management in Dialog treten. Der anwesende Vertreter von Union Investment bestätigte das und legte dann natürlich los, wie toll sie sind und sich ins Zeug legen.

Nichts gegen die Union Investment, bekanntlich die große Investmentgesellschaft der DZ Bank. Klar, die sprechen bestimmt Nachhaltigkeits-Kriterien bei z.B. DAX-Vorständen an, keine Frage.

Was für einen Unterschied könnte das machen!

Doch was für einen Unterschied würde es machen, wenn einmal bei einer Hauptversammlung auch ein Vertreter christlicher Aktionäre das Wort ergreifen würde und z.B. einen Kandidaten für den Aufsichtsrat fragen würde, wie dieser die ökologischen, sozialen und ethischen Folgewirkungen des Unternehmens sehe.

  • In den USA durchaus verbreitet. Man denke nur an die katholischen Nonnen, die Aktien von Waffenherstellern kauften und auf den diesjährigen Hauptversammlungen auftauchten und stärkere Beschränkungen und konkrete Berichterstattung zu Risiken verlangten. Da schlossen sich offenbar andere Investoren an. Hierzu auch mein Beitrag Nonnen gegen Tesla
  • Oder das Immobilienvermögen der Bistümer und Erzbistümer. Was für ein Zeichen wäre das, wenn ein Erzbischof sich hinstellt und sagen würde, wir vermieten ab dem Jahr 2022 nicht mehr an Ketten, die grundlegende Standards in Bezug auf Menschenrechte und Mindestlohn nicht einhalten. Bestehende Mietverträge werden wir zu diesem Datum kündigen, wenn sich der jeweilige Mieter nicht entsprechend verbessert. Erste Ansätze dazu gab es in Köln - doch was für ein Zeichen wäre das, wenn Bischöfe und Erzbischöfe so etwas in einer abgestimmten Aktion tun würden.

Das nur als Ideen, was ich tun würde. Man wird ja ab und zu träumen dürfen. Das wären aus meiner Sicht klare Zeichen dafür, dass die Kirchen es mit ethisch-nachhaltigem Investment, das die Welt verbessern würde, ernst meinen. Wer weiß, was so dann wirklich konkret verbessert werden könnte.

Es könnte auch dieses Thema bei anderen Kleinaktionären überhaupt erst ins Bewusstsein bringen. Und es wäre auch glaubwürdig: Denn wie ich bei der Veranstaltung gesehen habe, ist der Wille dazu, auch mit der Geldanlage Gutes zu tun, bei der Masse der kirchlichen Vertreter unbedingt da gewesen (soweit ich das mit meinen beschränkten sozialen Kompetenzen einschätzen kann).

Zum Abschluss dieses Beitrags noch ein Zitat von Papst Franziskus, das ich persönlich sehr passend finde:

Ohne eine Solidarität zwischen den Generationen kann von nachhaltiger Entwicklung keine Rede mehr sein. Wenn wir an die Situation denken, in der der Planet den kommenden Generationen hinterlassen wird, treten wir in eine andere Logik ein, in die des freien Geschenks, das wir empfangen und weitergeben. Wenn die Erde uns geschenkt ist, dann können wir nicht mehr von einem utilitaristischen Kriterium der Effizienz und der Produktivität für den individuellen Nutzen her denken. Wir reden hier nicht von einer optionalen Haltung, sondern von einer grundlegenden Frage der Gerechtigkeit, da die Erde, die wir empfangen haben, auch jenen gehört, die erst noch kommen.
Quelle: Enyzklika Laudato si´ (2015), der Text ist vollständig einsehbar unter diesem Link

Mit herzlichem Gruß!

Ihr

Michael Vaupel
Diplom-Volkswirt / M.A.
Michael Vaupel

"Fairness, Respekt vor Mensch und Tier sowie der gewiefte Blick für clevere Investment-Chancen - das lässt sich meiner Ansicht nach sehr wohl vereinen. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir diese Ansicht gemeinsam vertreten werden - auch gegen den Mainstream."

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