Rezension: Seefahrer

Rezension: Seefahrer

Ich habe eine Liste mit den Büchern, die ich seit der Jahrtausendwende gelesen habe. (Anfangen aus dem einfachen Grund, dass ich mich bei manch einem Buch fragte, ob ich das nicht schonmal gelesen habe und mir unsicher war...)

Dann habe ich auch eine Liste mit Büchern, die ich lesen möchte.

Sie können sich denken, dass ich das nicht erwähnen würde, wenn es dazu nicht einen konkreten Anlass geben würde. Den gibt es:

Denn auf zweiter Liste findet sich der Eintrag:

"Fatland, Erika: Die Grenze: Eine Reise rund um Russland, durch Nordkorea, China… (2019)"

Diese Reiseschriftstellerin soll ausgezeichnete Reportagen in Buchform schreiben, weshalb ich unbedingt einmal etwas von ihr lesen möchte.

Doch statt besagtem Buch auf meiner Liste las ich ihre brandneue Neuerscheinung mit dem Namen "Seefahrer" und dem treffenden Untertitel: "Eine Reise durch Portugals vergangenes Weltreich".

Ich gebe zu, ich bin befangen:

Denn die faszinierende Geschichte der großen Seefahrer-Nation Portugal interessiert mich sehr.

Schon als Kind las ich gerne Bücher über die "großen Entecker" wie Magellan und Seefahrernationen wie Portugal sind mir bis heute äußerst sympathisch geblieben. Inzwischen - einige Jahrzehnte und ein Geschichtsstudium später - sehe ich manches bei den historischen Entdeckern durchaus kritischer, wie den eurozentrischen und teilweise bornierten Blick.

Menschen wie Ferdinand Magellan finde ich weiterhin faszinierend, trotz oder gerade wegen ihrer Fehler (er war auch nur ein Mensch).

Doch konkret zur Neuerscheinung von Erika Fatland.

Diese schafft es in ihrer - aus meiner Sicht grandiosen - Neuerscheinung, einen Bogen von der Gegenwart in die Vergangenheit zu spannen.

Die Rahmenhandlung spielt in der Neuzeit:

DieAutorin ist als Passagierin auf einem Frachtschiff, das von Santander (spanisches Baskenland) bis nach Südafrika fährt. In Durban besteigt sie dann einen Frachter nach Japan und es geht weiter mit ihren Schilderungen dieser Reise.

Dabei passiert die Autorin immer wieder Gebiete, die mit Portugal in Verbindung stehen oder standen.

Und das ist die zweite Erzählebene:

Die in der ersten Erzählebene gestreiften Gebiete werden da ausführlicher behandelt.

Dies erfolgt, indem die Autorin...

  • von einer Reise dorthin berichtet (üblicherweise mit dem Flugzeug, mit Kontakten vor Ort)
  • historische Rückblicke einflechtet und dabei - erzählerisch spielerisch "nebenbei" - historische Persönlichkeiten/Ereignisse einflechtet. Das ist die dritte Erzählebene.

Ich finde: Auf allen drei Ebenen punktet die Autorin.

Das liegt zum einen daran, dass sie es versteht, eine gute Geschichte zu erzählen. Als Leser/in fiebern wir durchaus mit, wenn sie z.B. in Guinea-Bissau als Beifahrerin auf einem Motorrad über Stock und Stein fährt und es mit teilweise halbseidenen Personen zu tun bekommt.

Zudem schafft sie es, bei der großen Auswahl an dazu passenden historischen Einordnungen eine interessante Auswahl zu treffen. So greift sie z.B. nicht nur portugiesische historische Persönlichkeiten auf,...

...sondern auch interessante "indigene" Personen wie eine Anführerin aus Angola mit zwiespältig-interessantem Charakter.

Und nicht zuletzt gibt es einen gewissen "comic relief", wenn die Autorin auf Erzählebene 3 (ihrer eigenen Schiffspassage) von Episoden wie einen Karaoke-Abend der philippinisch-stämmigen Mannschaft schildert.

Dass die norwegische Schriftstellerin mit offenen Augen durchs Leben geht, wird auch durch die Tatsache bestätigt, dass sie laut Angaben des Verlags acht Sprachen spricht. Hilfreich könnte auch ihr Studium der Sozialanthropologie gewesen sein.

Eine schöne doppelseitige passende Weltkarte findet sich passenderweise zu Beginn und Ende des Buches

Eine Anmerkung zum Fototeil, um Seite 100: Dort wird eine abgebildete Frau mit den Worten zitiert: "San ist San: Maram macht sich keine Sorgen, dass die Kultur der San verschwinden wird."

Dazu möchte ich anmerken, dass dort keine San (früher "Buschleute" genannt) abgebildet ist, sondern eine Himba (Abspaltung von den Herero). Ich bitte um Nachsicht für diese nicht böse gemeinte Besserwisserei.

Deshalb insgesamt ein Daumen hoch (zumindest für Geschichtsinteressierte!) meinerseits für:

Erika Fatland: Seefahrer

Das Buch ist im Mai 2025 im Insel-Verlag (Suhrkamp) erschienen.

Angenehme Lektüre!

Ihr

Michael Vaupel

Diplom-Volkswirt / M.A.

Michael Vaupel

"Fairness, Respekt vor Mensch und Tier sowie der gewiefte Blick für clevere Investment-Chancen - das lässt sich meiner Ansicht nach sehr wohl vereinen. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir diese Ansicht gemeinsam vertreten werden - auch gegen den Mainstream."

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