Rezension: Das Kokain der Industrie
In dieser interessanten Neuerscheinung fragen die Autoren Andreas Pietsch und Andreas Kroll:
Werden Seltene Erden & Co. zur geopolitischen Waffe?
Nun, sie sind es längst, nämlich geopolitische Waffe. Ein Beispiel: Ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass China die Ausfuhr der strategischen Metalle Gallium und Germanium beschränkte.
Diese beiden strategischen Metalle sind für mehrere Hochtechnologie-Anwendungen schlicht und einfach notwendig - und China ist da ein sehr wichtiger Anbieter.
Nebenbei gesagt, damals sah ich eine gewisse feine Ironie, dass China damit auf gewisse Aktionen Deutschlands und Frankreichs reagierte, "durch die Blume", denn "Gallium" erinnert vom Namen her an Frankreich, "Germanium" natürlich an Deutschland...
Doch zur Sache, Brüder und Schwestern. Es geht bei "Das Kokain um die Industrie" der beiden kompeteten Autoren Andreas Pietsch und Andreas Kroll um das Thema "Seltene Erden" und andere strategische Metalle (welche keine "Seltenen Erden" sind).
Die beiden Autoren rennen bei mir offene Türen ein, wenn sie z.B. dafür plädieren, dass die deutsche politische Führung die Versorgungssicherheit der deutschen Industrie mit Seltenen Erden und anderen strategischen Metallen zur Chefsache machen soll.
Denn eine solche einseitige starke Abhängigkeit insbesondere vom Lieferanten China ist volkswirtschaftlich gesehen durchaus unklug.
Im Buch gibt es einige schöne, übrigens farbige Karten.
Da fiel mir z.B. eine doppelseitige Karte auf den Seiten 136 und 137 auf, die sehr aussagekräftig ist. Konkret:
Dort werden die Hauptlieferländer für die 51 Rohstoffe angezeigt, welche von der EU-Komission als "kritisch" in Bezug auf die Versorgungssicherheit der Europäischen Union bezeichnet werden.
Davon kommen z.B. 2 Rohstoffe aus dem Kongo (63% des Kobalts, 36% des Tantals)...
...einer aus Brasilien (92% Niob)...
...und gleich 33 (!) aus China
Unter Letzteren finden sich mehrere "Seltene Erden", und da liegt der Anteil Chinas beim Angebot manchmal sogar bei 100% (Dysprosium, Erbium, Gadolinium...)

Die beiden Autoren von "Das Kokain der Industrie" - gut schreiben können sie!
Erfreulicherweise werden im Buch auch mehrere Seltenerd-Metalle sowie andere strategische Metalle (wie die genannten Gallium Germanium, aber auch Rhenium und Indium) vorgestellt.
Der Schreibstil der Autoren ist flott und mit viel "Nähe" (wenn sie z.B. von ihrem Ausflug zu einer Mine in Südafrika berichten). Die Leser werden durchaus "abgeholt", sprich auch ohne große Vorkenntnisse ist die Lektüre dieses Buchs möglich und intellektuell gewinnbringend.
Also uneingeschränkte Empfehlung meinerseits?
Nicht ganz, denn ein Punkt hat mich durchaus gestört. Und zwar sind beide Autoren auch als Anbieter von Investitionen in Seltene Erden und strategische Metalle tätig. Und ihre diesbezüglichen Hinweise sind mir etwas zu marktschreierisch. Da ist zum Beispiel von einem "Megamarkt für Investoren" die Rede. Und es finden sich Aussagen wie "Preise werden noch gut 15 Jahre steigen".
- Da ich selbst ein Buch über Strategische Metalle geschrieben habe...
- ...was ich nach wie vor durchaus als Standardwerk für den Sektor bezeichnen würde, wenn das nicht unbescheiden klingen würde, weshalb ich diesen Hinweis unterlasse...
- ...sehe ich die Sache differenzierter. Gerade der Kauf von Seltenen Erden in physischer Form hat so seine Tücken. Besonders dann, wenn diese als Oxide gehandelt werden. Das ist im Grunde "helles Pulver" - und klar, kaufen geht leicht. Aber der Verkauf kann schwierig sein...
- ...und anders als bei Aktien ist hier auch ein durchaus beachtlicher "Spread". Und es gibt Mindermengenzuschläge und solche Dinge.
Aus diesen Gründen ist mir das Trommeln für Käufe von Seltenen Erden und strategischen Metallen in physischer Form nicht besonders, zumal es mit einem Eigeninteresse verknüpft ist. Aber das wird ja immerhin klar gesagt, also durchaus legitim.
Insofern ein etwas gemischtes Fazit meinerseits für:
Andreas Pietsch und Andreas Kroll: "Das Kokain der Industrie"
Untertitel: Seltene Erden & Co.: Stoff für Zukunftstechnik, Chinas Faustpfand, Investmentchance einer Generation
Angenehme Lektüre!
Ihr
Michael Vaupel
Diplom-Volkswirt / M.A.
P.S. Mein eigenes Buch zu dem Thema heißt: