Cloud Money: Cash, Karte oder Krypto

Cloud Money: Cash, Karte oder Krypto

Eine Entwicklung, von der Top-Manager von Versicherungskonzernen tendenziell begeistert sind, heißt "dynamische Preisfestsetzung".

Das ist eine Entwicklung, bei der sich das Prinzip einer Versicherung vom altbewährten Konzept der Gegenseitigkeit gelöst hat.

Stattdessen sind die Prämien von Versicherungen nicht mehr einheitlich, sondern auf die jeweilige Person zugeschnitten.

Berechnet wird nicht etwa vom Sachbearbeiter vor Ort, sondern von "KI" = Künstlicher Intelligenz. Diese wiederum greift auf Unmengen an Daten zurück und liefert in Sekundenschnelle aufgrund von ausgewerteten Dingen wie Bewegungsprofilen des Kunden einen "angepassten Preis". Fertig ist die dynamische Preisfestsetzung.

Dazu gehört auch, dass eine Internetseite nicht mehr für "alle gleich" aussieht, sprich öffentlich ist. Je nachdem, wer darauf zugreift, zeigt sie unterschiedliche Dinge und auch unterschiedliche Preise an.

Willkommen in der "schönen neuen Welt", die neu, aber nicht unbedingt schön ist...

Denn während Technologie- und Zahlungsverkehrs-Giganten die gerade beschriebene Entwicklung feiern, sehen andere das äußerst kritisch.

Und mit "andere" meine ich beispielsweise den von mir sehr geschätzten Brett Scott, der dazu ein brandaktuelles (diesen Monat) Buch veröffentlicht hat mit dem Titel:

Cloud Money  - Cash, Karte oder Krypto

Der Untertitel des Buches lautet, ich zitiere:

"Warum die Abschaffung des Bargelds unsere Freiheit gefährdet"

Da der Autor selbst in der Finanzdienstleistungsbranche tätig war (auch und besonders in der "Londoner City"), plaudert er oft aus dem Nähkästchen, was hochinteressant ist.

Und er mag es durchaus, anzuecken. So versuchte er zum Beispiel in einer Hipster-Kneipe mitten im "woke people"-Viertel mit Cash zu bezahlen - und wurde schräg angesehen, weil dort "kontaktloses Bezahlen" erwartet wird.

Auch versuchte er aus Prinzip, bei einem British Airways Flug einen bestellten Kaffee in bar zu bezahlen. Das ging nicht...weil British Airways inzwischen nur noch "mit Karte" bezahlt werden möchte.

Der Autor weist auf die möglichen Gefahren dieser Entwicklung hin, welche vielen Verbrauchern offensichtlich egal oder unbekannt sind.

Die Verbraucher werden von Finanz- und Tech-Giganten als Kollektiv benötigt - aber "einzelne Menschen sind ein Ärgernis". Die Lösung: Automatisierung der Interaktionen mit Kunden.

Das dürfte auch der Grund sein, warum auch zum Beispiel bei der Geldanlage "Robo-Advisor" angepriesen werden.

 

Blick ins Inhaltsverzeichnis. Quelle: Penguin Verlag

Der Autor verweist auch auf die Komplexität von internationalen Konzernen, was für uns als Investoren interessant ist.

Beispiel BP. Wer die BP-Aktie kauft, der denkt vielleicht, er hat den Überblick, dass er/sie/es sich eine Beteiligung an einem Erdöl-Konzern gekauft hat.

Der Autor erläutert, dass BP eine "Tiefe von zwölf Ebenen" hat, und ein Verbund von "über 1.100 Tochtergesellschaften" ist. Ich maße mir nicht an, bei so einem Komplex ein Urteil über die Aktie bilden zu können...

Nach wenigen Seiten Lektüre wurde mir klar: Der Autor ist ein Verfechter von Freiheitsrechten und er sieht "Bargeld" als Form von Freiheit.

Ich stimme ihm da nicht in allen Punkten zu, doch seine Herangehensweise finde ich erfrischend und seinen Mut, anzuecken, bewundernswert.

Das Buch wird durch persönliche Anekdoten erfrischend gut lesbar.

Ein Beispiel: Er schildert einen Besuch in New York, bei dem ihm ein Restaurant - asiatischer Familienbetrieb - neben einem Café Restaurant einer internationalen Kette auf.

Während der Familienbetrieb ein Schild an der Tür hatte, das um Barzahlung bat, da sonst Gebühren für jede Kreditkartenzahlung anfallen...

...war es bei der internationalen Kette genau anders herum: Da stand in pseudowitzigem Wortspiel "No Cashew Money" (kein Bargeld). Warum das so sei, das könne man unter folgendem Link erfahren...

Er sprach die Mitarbeiter an, sie zuckten nur mit den Schultern. Letztlich lag seine Sympathie eindeutig beim Familienbetrieb, der auf Barzahlung setzte.

Der Autor teilt kräftig aus im Hinblick auf die Finanz-Konzerne.

Und er warnt...Beispiel PayPal:

Wer damit bezahlt, sollte sich bewusst sein, dass die eigenen Daten mit zig Institutionen geteilt werden können.

Der Autor zitiert dazu Wolfie Christl von einem österreichischen Forschungsinstitut. Demzufolge ist PayPal berechtigt, die Daten von Kunden mit 600 (!) Organisationen zu teilen. Uff.

Und Dinge wie "Haushaltsplanungs-Apps" sorgen eben auch dazu, dass letztlich Finanz- und/oder Tech-Giganten in ihrer gigantischen Datensammlungs-Aktivitäten auch von Ihnen Daten sammeln können.

Letztlich kann das dazu führen, dass Sie von einem Versicherungskonzern ein anderes Angebot als Ihr Nachbar erhalten. Und es könnte auch dazu führen, dass "unerwünschtes Verhalten" sanktioniert wird. Wer weiß, ob es einen "Sozial-Score" geben wird.

Teilweise liest sich das Buch im Hinblick auf Prognosen etwas dystopisch...nun, ich hoffe, dass es eine Dystopie ist - die sich nicht verwirklicht.

Insgesamt viele wertvolle Denkanstöße eines Mannes, der sich seit Jahren mit dieser Thematik beschäftigt und der so ganz nebenbei Dinge wie "Geldschöpfung von privaten Banken" so gut erklärt, wie ich es mir im Studium gewünscht hätte.

Für kritische Denker/innen eine klare Empfehlung meinerseits für:

Brett Scott: Cloud Money

Eine kostenlose Leseprobe in Form einer PDF-Datei finden Sie bei Interesse unter diesem Link.

Angenehme Lektüre!

Ihr

Michael Vaupel

Diplom-Volkswirt / M.A.

Michael Vaupel

"Fairness, Respekt vor Mensch und Tier sowie der gewiefte Blick für clevere Investment-Chancen - das lässt sich meiner Ansicht nach sehr wohl vereinen. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir diese Ansicht gemeinsam vertreten werden - auch gegen den Mainstream."

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