Der grosse Aufbruch

Der grosse Aufbruch

Ab und zu brauche ich das: Ein Heißgetränk und es mir mit einem "dicken Schmöker" - für den Intellekt - gemütlich machen. So geschehen neulich, als ich auf eine Neuerscheinung der "Historischen Bibliothek der Gerda Henkel Stiftung" aufmerksam wurde. Konkret:

Der Historiker Wolfgang Behringer hat in dieser Neuerscheinung mit dem stimmigen Namen "Der grosse Aufbruch" eine Globalgeschichte der Frühen Neuzeit geschrieben.

  • Und da es hier nicht "nur" wie in früheren Zeiten um die europäischen Entdecker geht (wobei ich insbesondere die Leistungen der Portugiesen der Frühen Neuzeit bewundere), ....
  • .....sondern auch Mongolen, Sultanat von Delhi, Inkareich, Äthiopien, Songhai, Russland und und und behandelt werden,
  • ....hat das Buch naturgemäß einen beachtlichen Umfang: Gut 1.300 Seiten (davon freilich gut 250 Seiten Anhang).

Wie es eine solche Globalgeschichte mit sich bringt, geht es hier um die großen Zusammenhänge. Gleichzeitig versteht es Wolfgang Behringer, in diesem "großen Bild" kleine Geschichten zu erzählen. Denn er berichtet von einzelnen Personen, die innerhalb des großen Rahmens handelten und manchmal sehr interessant sozusagen "ihr eigenes Ding" durchzogen. Da hatte ich durchaus einige "Aha"-Effekte. Beispiel das Kapitel zu "Juan Garrido". Denn dies war ein schwarzafrikanischer Konquistador, der für Spanien in Mittelamerika Gebiete eroberte.

Behringer zeigt, dass die manchmal gesehene Tendenz, Schwarze in der Frühen Neuzeit auf dem Amerikanischen Kontinent nur als arme Opfer zu sehen, verfehlt ist.

Denn Juan Garrido war kein armes Opferlein, sondern aktiver Kämpfer und Gestalter. Er verfasste unter anderem eine Petition an den spanischen König und durfte in der Kolonie mit offizieller Genehmigung wie ein spanischer Adliger auftreten. Er war nie Sklave, sondern kam wahrscheinlich als Adelssohn aus dem Kongo nach Portugal und später Spanien. Eine faszinierende Biographie - mit der uns der Autor zeigt, dass das vereinfachende "schwarz-weiß-Denken" mancher politisch-korrekter Zeitgenossen genau das ist, nämlich zu grob vereinfachend.

Auf intellektueller Entdeckungsreise mit diesem Buch

Was mir ansonsten aufgefallen ist:

Wolfgang Behringer lässt sich nicht in eine der herkömmlichen Schubladen stecken:

  1. Entweder "Ereignisgeschichte", welche die Geschichte als Abfolge von Entscheidungen der regierenden Eliten darstellt
  2. Oder Sozialgeschichte - wo Interessen der Bevölkerungsmehrheit bzw. Lebensbedingungen zentral sind

Gewiss, Behringer behandelt diese Themen - aber er bezieht auch außergesellschaftliche Ursachen mit ein. Denn nicht alle Katastrophen sind kulturell oder sozial verursacht, wie Behringer im Text passend erläutert. Als Beispiel sei die Große Pest in Europa, die Pockenepidemie auf dem Amerikanischen Kontinent oder auch Dinge wie ein Vulkanausbruch (mit folgender kalter Witterung) genannt.

Und damals, als die landwirtschaftliche Produktivität oft nur so gerade Überschüsse produzierte, war die Bevölkerung natürlich stark betroffen von sprunghaften Änderungen der Ernten.

Positiv erwähnen möchte ich die im Buch vorhandenen Illustrationen und gut lesbaren Karten. Ein ca. 15 seitiger Teil mit hochwertigen Bildern rundet die Publikation ab.

Ein Beispiel: Folgendes Bild zeigt ein Gespräch des Inkaherrschers Sayri Túpac Inka mit dem spanischen Vizekönig Andres Hurtado de Mendoza, 1560 in Inka. Solche Illustrationen lassen solche Ereignisse uns Spätgeborenen "näher" kommen (übrigens sieht die Gesprächsatmosphäre für mich recht gemütlich aus).

Quelle: Der grosse Aufbruch, Seite 289

Wer von Wolfgang Behringer auf eine kenntnisreiche Reise nach Amerika, Afrika und Asien in der "Frühen Neuzeit" mitgenommen werden möchte...

...der kann das ganz bequem vom heimischen Sofa aus. Sogar ohne sich fortzubewegen - die Reise findet im Kopf statt.

Einzig der Umfang des Buches könnte manche abschrecken (da zeigt sich vielleicht dann doch ein Vorteil von "E-Books").

Deshalb klare Leseempfehlung meinerseits für:

Wolfgang Behringer: Der große Aufbruch

Eine kostenlose Leseprobe in Form einer PDF-Datei finden Sie bei Interesse unter diesem Link.

Angenehme Lektüre!

Ihr

Michael Vaupel

Diplom-Volkswirt / M.A.

Michael Vaupel

"Fairness, Respekt vor Mensch und Tier sowie der gewiefte Blick für clevere Investment-Chancen - das lässt sich meiner Ansicht nach sehr wohl vereinen. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir diese Ansicht gemeinsam vertreten werden - auch gegen den Mainstream."

Mehr über mich