Der Wald für unsere Enkel
Wenn es mir mal schlecht geht, dann hilft mir normalerweise ein gediegener Waldspaziergang. Tief atmen, einfach gehen, beobachten, Gedanken an Probleme "abstellen" - herrlich.
In einem anderen Leben wäre ich auch gerne Forstwirt statt Volkswirt geworden. Es kam anders.
Immerhin kann ich mich so ohne Leistungsdruck mit dem Thema "Wald" beschäftigen. Dazu gehören auch Spaziergänge mit dem Revierförster, was ab und zu (leider selten) angeboten wird.
Und dazu gehört auch, interessante Lektüre zu diesem Thema zu lesen.
Dazu fiel mir eine aktuelle Neuerscheinung aus dem westend Verlag auf. Dort hieß es, ich zitiere:
Wie erhalten wir den Wald für die kommenden Generationen? Die Fürsten Castell haben schon früh erkannt, dass Ökologie und Ökonomie in einem nachhaltigen und ganzheitlichen Konzept der Waldbewirtschaftung kein Widerspruch sind. Und sie zeigen in ihrem Buch „Der Wald für unsere Enkel“, wie wir die Natur gestalten und die Zukunft erhalten können.
Da war mein Interesse geweckt. Adlige Waldbesitzer, deren Familie seit Jahrhunderten (!) Forstwirtschaft betreiben und aus dem Nähkästchen plaudern? In der Tat:
Die beiden Autoren Ferdinand Fürst zu Castell-Castell und Otto Fürst zu Castell-Rüdenhausen sprechen in dieser interessanten Neuerscheinung Klartext.
Eine Anmerkung vorab: Da ich selber Buchautor bin, schaue ich auch gerne in den "Dank". In diesem Fall wird einer mir unbekannten Pia Vogel gedankt, welche "unsere Gedanken lesbar gemacht" hat. Es bleibt aus meiner Sicht offen, wieviel der Texte letztlich sie verfasst hat.
So oder so - das Buch ist gut lesbar und aufgrund der adligen Autorenschaft - nomen est omen - ist es auch durchaus "edel". Hochwertiger Druck und zahlreiche farbige Abbildungen, dennoch überschaubares Format und lediglich gut 200 Seiten Umfang. Das Buch verlockt sozusagen zum Aufschlagen, wenn es beispielsweise auf dem Kaffeetisch liegt. (Es eignet sich durchaus als sogenanntes "coffee table book", wie der Angelsachse sagt).
Die Autoren beginnen mit einem Abriss ihrer Familiengeschichte. Dazu gehört als "Ausflug" auch eine kurze Schilderung der Entwicklung der Familie Faber-Castell. Genau, die mit den Bleistiften.
Die fürstlichen Autoren machen klar, wie wichtig für sie Tradition und nachhaltiges Wirtschaften sind. Eine Denkweise, die mir auch bereits bei anderen Familienunternehmern positiv aufgefallen ist. Anders als bei angestellten Managern börsennotierter Unternehmen mit "Quartalszahlen-Denke" geht es hier um längerfristige Planungen und Nachhaltigkeit im besten Sinne des Wortes.
Nicht ohne Grund stammt der Begriff "Nachhaltigkeit" aus der deutschen Forstwirtschaft...
Im Buch werden zunächst einige Grundlagen zum Thema Wald erläutert, was mich befürchten ließ, dass das Buch mit eher seichten Allgemeinplätzen vor sich dahindümpeln würde. Das war erfreulicherweise keineswegs so.
Denn die Fürsten sprechen bzw. schreiben im weiteren Verlauf des Buches beide Klartext.
Da geht es um ihre eigenen Vorstellungen eines nachhaltig bewirtschafteten Forstes, was für mich sehr nachhaltig klang.
Einen Aspekt hatte ich so noch gar nicht im Visier: Das Thema Jagd. Die Autoren erläutern, wie in ihren Wäldern das Wild bejagdt wird. Für sie habe inzwischen der "Wald" Priorität und nicht die Jagd. Das bedeutet: Der Wildbestand soll nicht überhand nehmen.
Sie erläutern unangenehme Dinge wie diese: Traditionelle Jäger schießen zum Beispiel gerne Rehböcke, aber keine weiblichen Tiere oder sogar Kitze. Doch im Sinne einer Eindämmung der Populationen müssen auch weibliche Tiere geschossen werden.
Um den Stress für die Tiere zu senken, werde aber nur zu ganz bestimmten Zeiten gejagt. Den Rest des Jahres wird das Wild möglichst keinem Stress ausgesetzt. Dazu gehört auch, dass auf ausreichend Unterholz für Deckung der Tiere gesorgt wird etc. pp.
Das sei letztlich auch wirtschaftlich - denn weniger gestresstes Wild verbraucht weniger Energie und frisst deshalb dann auch letztlich weniger Setzlinge...
Auch dem Thema Jagdhunde ist ein kurzes Kapital gewidmet.
Wenn es um staatliche bzw. behördliche Vorgaben geht, wird schnell klar, über was sich die beiden Fürsten ärgern. So prangern sie an, dass sie in Bayern "per Gesetz dazu verpflichtet sind", von jedem geschossenen Rehbock die Schädeldecke präparieren zu lassen, um sie auf einer der "sogenannten Hege- oder Tropäenschauen dem Bayrischen Jagdverband" vorzustellen. Und das, obwohl der berichtende Fürst da noch nicht einmal Mitglied ist.
Auch mit den Plänen der EU im Hinblick auf die Forstwirtschaft gehen die Autoren hart ins Gericht. So sei die EU beispielsweise mit dem Thümen Working Paper auf dem "Holzweg". Da wird nämlich vorgesehen, dass ein Teil der Wälder stillgelegt wird.
Die Autoren prangern an, dass dies aber den Wald im jetztigen Zustand "konserviere". Und der jetztige Wald sei keineswegs optimal im Hinblick auf steigende Temperaturen und weniger Niederschläge, wie sie von den Autoren prognostiziert werden. So sei zum Beispiel die Fichte zunehmend unpassend. Verantwortungsvolles Ausdünnen der Fichtenbestände und Auffüllen mit anderen, dem Mikroklima besser passenden Bäumen sei besser, um nur ein Beispiel zu nennen.
Wenn das Thümen Working Papier umgesetzt werde, würde die Holzproduktion außerdem um ca. 31% zurückgehen. Dann würde verstärkt Holz importiert werden müssen aus Regionen, die weniger auf Nachhaltigkeit achten.
Als ein Beispiel nennen die Autoren ausgerechnet Skandinavien - was ich ganz anders sehe. Denn die Forstwirtschaftsunternehmen wie Holmen, mit denen ich mich z.B. in Schweden beschäftigt habe, setzten zumindest ihren Publikationen zufolge stark auf Nachhaltigkeit. Als Negativ-Beispiel taugen sie meiner Ansicht nach nicht.
Insgesamt ein Buch, das mir Lesegenuss und Bedenken der vorgetragenen Thesen gebracht hat. Und um Thesen zu bedenken, hilft es mir, wenn die Autoren Klartext sprechen, was hier der Fall ist.
Die Autoren machen auf mich einen ausgezeichneten Eindruck: Interesse an nachhaltiger Bewirtschftung, ehrlichem Gewinn und Weitergabe der Forstwirtschaft (und Weinproduktion, Hausbank..) an ihre Nachkommen.
Was mich persönlich etwas gestört hat: Auf zahlreichen der Farbabbildungen im Buch sind die beiden Autoren abgebildet. Gewiss, es ist interessant zu sehen, wie diese aussehen - aber nicht ca. 20 Mal (!).
Faszinierend fand ich die Schilderung von technischen Möglichkeiten wie dem Einsatz der "Harvester" oder die "Inventur" des Waldes mithilfe technischer Hilfsmittel.
Insgesamt ein klares Daumen hoch meinerseits für:
Fürst zu Castell-Castell / Fürst zu Castell-Rüdenhausen: Der Wald für unsere Enkel
Angenehme Lektüre!
Ihr
Michael Vaupel
Diplom-Volkswirt / M.A.