
Die Problematik der Lieferketten
Neulich habe ich ein Finanzbuch zum Thema Lieferketten verschlungen - ein intellektueller Lesegenuss.
Ich erinnere mich noch, dass zur Zeit meines Studiums der Volkswirtschaftslehre "just-in-time"-Produktion der letzte Schrei war. Bloß keine Lagerhaltung - am besten die Produktion so managen, dass die benötigten Teile genau dann eintreffen, wenn sie zur Produktion benötigt werden.
"Just in time" hieß das und heißt es wohl immer noch.
Schon damals wurde mir bei dem Thema etwas mulmig. In Bezug auf meine Heimat-Volkswirtschaft Deutschland wünschte ich mir durchaus, dass Unternehmen und/oder Regierung bei einigen wichtigen strategischen Rohstoffen einige Lagerbestände anlegen würden.
Denn was, wenn z.B. ein wichtiges Lieferland auf einmal aufgrund politischer Differenzen nicht mehr liefert? Oder was, wenn ein Unwetter Hafenanlagen - die für den Import der Rohstoffe wichtig sind - beeinträchtigt? Oder wenn ein Schiff mit Nachschub in einem Sturm versinkt?
Nein, "just in time" ist super - so der Tenor. Und das eigentlich bis Anfang 2022.
Dann allerdings - Stichwort Ukraine-Krieg - zeigte sich, dass es durchaus nicht falsch gewesen wäre, für bestimmte Rohstoffe strategische Lager anzulegen.
Und hier setzt "Sold Out - ausverkauft" von James Rickards an. Denn er kritisiert genau diese "just in time"-Denke. Gewiss, damit konnten Lieferketten optimiert werden, wodurch sie sehr effizient und damit kostengünstig wurden.
Aber, und das ist ein großes aber: Dadurch wurden sie auch sehr anfällig für Störungen.
Wenn alles optimiert worden ist, dann können schon relativ kleine Störungen die gesamte Lieferkette ins Wanken bringen. Und laut James Rickards ging das nicht erst 2022 los, sondern bereits in Zeiten der Coronavirus-Pandemie. Da wurden schlagartig weniger Dienstleistungen nachgefragt - dafür aber mehr Güter bestellt.
Ein kleiner Auszug aus dem Buch. Quelle: Verlagsangaben
Zahlreiche Häfen in den USA waren daraufhin überlastet, was einen logistischen Rattenschwanz nach sich zog, Beispiel Staus bei LKW-Abfertigungen etc. pp.
Das führte zu Inflation, Lieferkettenproblemen, Produktionsstopps, etc. pp.
Eine These von James Rickards lautet: Gewiss, Dinge wie Lagerhaltung oder das Einrichten von alternativen Lieferketten sind nicht "effizient" im Sinne möglichst geringer Kosten. Aber man sollte sie als eine Art Versicherungsprämie sehen. Denn wenn z.B. ein Hafen oder ein Lieferant ausfällt, gibt es noch eine erprobte Alternative.
Redundanz wird so zu Resilizenz.
Der Autor James Rickards kann übrigens mehrere Studiengänge vorweisen, darunter einen M.A. in "international economics". Er ist ein alter Hase, der seit den 1970ern mehr oder weniger im Umfeld der Wall Street gearbeitet hat.
Hier sein englischsprachiger Wikipedia-Eintrag
Und James Rickards ist äußerst meinungsstark. So hält er mit seiner negativen Ansicht zur derzeitigen US-Administration nicht hinter dem Berg. Auch sieht er die Handelspolitik Chinas äußerst kritisch. Und genau das sagt bzw. schreibt er in diesem Buch auch deutlich - nicht polemisch, sondern mit Fakten begründet.
Das bedeutet nicht, dass ich dem Autoren überall zugestimmt habe. So hält er z.B. das Thema Klimawandel nur für eine Agenda globaler Davos-Eliten. Ganz so einfach ist es vielleicht doch nicht - aber um mit Michel de Montaigne zu sprechen: Que sais-je (was weiß ich schon)?
Mein Fazit: Lesenswert
Diese Kombination aus historischem Rückblick, Erläuterung von Fachbegriffen, starker Meinung und auch Aufzeigen von Lösungen hat mir sehr gut gefallen. Das Thema "Lieferketten-Problematik" wird meiner Ansicht nach noch einige Zeit aktuell bleiben und ist volkswirtschaftlich interessant - und letztlich auch für die Aktienbörsen relevant. Insofern klare Leseempfehlung meinerseits ffr diejenigen unter Ihnen, welche sich für das "große Bild" im Hinblick auf Volkswirtschaften interessieren.
Eine kostenlose Leseprobe finden Sie bei Interesse unter diesem Link
James Rickards: Sold Out - Ausverkauft
Angenehme Lektüre!
Ihr
Michael Vaupel
Diplom-Volkswirt / M.A.