Nie wieder hilflos

Nie wieder hilflos

Vor einigen Jahren war ich im Rahmen einer Bürgerreise auf Einladung des Bundestagsabgeordneten Dr. Norbert Röttgen in Berlin. Feine Sache, im Reichstag Interna von ihm erzählt zu bekommen. Er wirkte da recht bodenständig, eloquent und volksnah auf mich.

Seine politischen Ansichten teilte ich nicht alle - doch bei wem ist das schon der Fall!

Mit Interesse habe ich deshalb die neue Publikation von Dr. Röttgen gelesen, mit dem Titel: "Nie wieder hilflos!"

Der Titel ist gleichzeitig ein Aufruf und gibt vor, was Dr. Röttgen für sinnvoll hält. Er nennt es deshalb auch treffend im Untertitel: "Ein Manifest in Zeiten des Krieges".

Es handelt sich um ein gut lesbares relativ kurzes Buch (ca. 140 Seiten), in dem sich der Autor mit der aktuellen außenpolitischen Lage der Bundesrepublik befasst und Schlussfolgerungen zieht.

Da fand ich mehrere Punkte, bei denen ich zustimmend nickte. So beklagt Dr. Röttgen beispielsweise den "Verlust strategischen politischen Denkens vor allem im Bereich der Administration".

Deutschland habe "sowohl intellektuell wie institutionell" die Fähigkeit "zu strategischem politischem Denken verloren". So seien beispielsweise auch in der Debatte der Kanzlerkandidaten außenpolitische Themen (NATO, China, USA...) kaum vorgekommen. Außen- und Sicherheitspolitik - auch im Wahlkampf generell "ausgeblendet", so Röttgen.

Und Stichwort Flüchtlinge: Dem Kontrollverlust der deutschen Regierung bei der Flüchtlingskrise 2015 stellt er als positives Gegenbeispiel das Handeln der polnischen Regierung im Hinblick auf die Flüchtlinge aus der Ukraine dar.

1,2 Mio. in Polen bleibende Flüchtlinge wurden umgehend registriert. Bereits am ersten Tag des Kriegsausbruchs im Februar 2022 öffnete die erste Aufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Polen. "Beschämend" sei es für Deutschland, wie "geräuschlos und geschmeidig" die polnische Regierung im Umgang mit Hunderttausenden Flüchtlingen umgegagen sei. Und implizit sagt er damit, wie äußerst schwach sich die deutsche Regierung 2015 zeigte...

Röttgen gliedert das Buch grob gesagt in drei Teile:

  1. Erkennen von Problemen
  2. Erkennen von eigenem Versagen
  3. Lösungsvorschläge

Als Probleme bezeichnet er das aggressive Vorgehen Russlands sowie gewisse Vorgehensweisen Chinas.

Er beschreibt eigenes (deutsches) Versagen, welches aus seiner Sicht darin besteht, sich von diesen Ländern abhängig gemacht zu haben. Zudem sei die eigene Verteidigungsfähigkeit vernachlässigt worden. Sprich: Man habe sich "hilflos" gemacht.

Dem gilt es entgegenzuhalten (Lösungsvorschläge). Die Erhöhung der Verteidigungsausageben sei ein Beispiel dafür. Es gilt auch, sich weniger abhängig zu machen. Da nennt er Dinge wie die, dass sich deutsche Konzerne in China nicht so stark engagieren sollten.

Letzteres ist natürlich aus meiner beschränkten Sicht durchaus problematisch. Mit welchem Recht sollte eine deutsche Regierung privatwirtschaftlichen Unternehmen vorschreiben, wo und wie sie weltweit investieren?

Und auch bei der Beschreibung des "Problems Russland" geht mir der Autor zu sehr "schwarz-weiß"-mäßig vor. Er begeht da meiner Ansicht nach einen "Post hoch ergo propter hoc"-Fehlschluss.

Sinngemäß bedeutet das, dass er meiner Ansicht nach möglicherweise zeitliche Abfolge mit kausaler Wirkung verwechselt.

So lautet seine These sinngemäß, wenn sich die Europäische Union schon vor Jahren gegen Putins Aggressionen (so Dr. Röttgen) eingesetzt hätte, dann wäre es nicht zum Ukraine-Krieg gekommen.

Das erinnert mich an das deutsche Sprichwort: "Hinterher ist man immer klüger!"

So halte ich es für unfair, wenn Dr. Röttgen beispielsweise dem französischen Präsidenten Macron vorwirft, dass dieser 2017 einen "strategischen Dialog" mit dem russischem Präsidenten gesucht hat. Denn das sei "von Anfang an" eine "Illusion" gewesen.

Und er formuliert zudem den Vorwurf, dass sich Italien "aus wirtschaftlichen Gründen um ein gutes Verhältnis zu Russland bemüht". Für mich ist das kein Vorwurf, sondern verständlich im Sinne von Realpolitik.

Und manche historischen Ereignisse wie der Georgien-Krieg 2008 sind aus meiner Sicht nicht so eindeutig zu bewerten, wie das Dr. Röttgen tut.

Aber letztlich bin ich froh, dass Dr. Röttgen so klar eigene Ansichten äußert - das hat zumindest den Vorteil, dass ich meine eigenen Ansichten daran messen und ggf. schärfen kann.

Mein Fazit: Beschränkt empfehlenswert!

Ich finde es gut, dass Dr. Röttgen seine außenpolitischen Ansichten zur aktuellen Lage in gut lesbarer Form zu Papier gebracht hat. Mir persönlich fehlten die "Aha"-Momente und intellektuellen Überraschungen, da die Ansichten wenig überraschend sind. Sie laden aber zu intellektueller Auseinandersetzung ein und geben durchaus Aufschluss darüber, was ein möglicher zukünftiger Außenminister Dr. Röttgen für Ansichten hat.

Norbert Röttgen: Nie wieder hilflos!

Bei Interesse finden Sie unter diesem Link den "Waschzettels" des Buchs in Form einer PDF-Datei.

Angenehme Lektüre!

Ihr

Michael Vaupel

Diplom-Volkswirt / M.A.

Michael Vaupel

"Fairness, Respekt vor Mensch und Tier sowie der gewiefte Blick für clevere Investment-Chancen - das lässt sich meiner Ansicht nach sehr wohl vereinen. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir diese Ansicht gemeinsam vertreten werden - auch gegen den Mainstream."

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