Rezension: Das Schloss der Schriftsteller

Rezension: Das Schloss der Schriftsteller

Als ich neulich auf eine Neuerscheinung zum Thema "Nürnberger Prozesse" hingewiesen wurde, dachte ich zuerst an ein Buch zu dem Thema, das mich vor Jahren sehr beschäftigte.

Und zwar ging es dabei um das "Nürnberger Tagebuch" des ehemaligen Gerichtspsychologen Gustave Gilbert. Bereits in den 1960ern erschienen, schilderte der Autor darin seine Erlebnisse/Erkenntnisse mit den Angeklagten (darunter auch Hermann Göring). Spannend wie ein Krimi! Ich habe eben in meinen Notizen nachgeschaut, was ich mir zu dem Buch notierte. Dort fand ich diesen Eintrag - ein längeres Zitat aus dem Buch, welches ich nun wiederum hier zitieren möchte:

Göring: „Natürlich, das einfache Volk will keinen Krieg; weder in Russland, noch in England, noch in Amerika, und ebenso wenig in Deutschland. Das ist klar. Aber schließlich sind es die Führer eines Landes, die die Politik bestimmen, und es ist immer leicht, das Volk zum Mitmachen zu bringen, ob es sich nun um eine Demokratie, eine faschistische Diktatur, um ein Parlament oder eine kommunistische Diktatur handelt.“

Gustave M. Gilbert: „Nur mit einem Unterschied. In einer Demokratie hat das Volk durch seine gewählten Volksvertreter ein Wort mitzureden, und in den Vereinigten Staaten kann nur der Kongress einen Krieg erklären.“

Göring: „Oh, das ist alles gut und schön, aber das Volk kann mit oder ohne Stimmrecht immer dazu gebracht werden, den Befehlen der Führer zu folgen. Das ist ganz einfach. Man braucht nichts zu tun, als dem Volk zu sagen, es würde angegriffen, den Pazifisten ihren Mangel an Patriotismus vorzuwerfen und zu behaupten, sie brächten das Land in Gefahr. Diese Methode funktioniert in jedem Land.“

- Aus: Gustave M. Gilbert „Nürnberger Tagebuch“, Aufzeichnung zum 18. April 1946

Ich habe da einige Zeit drüber sinniert.

Doch nun zur Neuerscheinung - "Das Schloss der Schriftsteller".

Es geht da um das Schloss Faber-Castell in Stein, in unmittelbarer Nähe zu Nürnberg. Dort war nämlich 1946 ein Großteil der Reporter/innen untergebracht, die über die Nürnberger Prozesse berichteten. Hier der Wikipedia-Eintrag zum genannten Schloss.

Darunter fanden sich zahlreiche Schriftsteller von Weltruhm oder generell Journalisten, welche später bekannt wurden. Ich nenne als Beispiele Erich Kästner, Erika Mann, Willy Brandt, Alfred Döblin, Markus Wolf...

Von deren Zusammentreffen auf dem "Schloss der Schriftsteller" berichtet dieses Buch. Es handelt sich um keinen historischen Roman, sondern um ein sauber recherchiertes (soweit ich das beurteilen kann) Sachbuch.

Es beginnt mit einem Essay zur Geschichte des Presselagers im Schloss der "Bleistift-Fürsten" (Faber-Castell...). Danach nimmt sich der Autor einzelne der anwesenden Persönlichkeiten vor und porträtiert diese jeweils in einem Kapitel, wobei natürlich - quasi nebenbei - Informationen zu den Prozessen und generell der Lage in Nürnberg 1946 einfließen.

Dabei entwickelt sich ein buntes Poutpourri an Theman - von den Gerichtsverhandlungen zum Holocaust über Saufgeschichten von Journalisten bis hin zu interessanten Hintergrundinformationen zum Beispiel zum ehemaligen Gestapo-Chef, der Rudolf Diels. Natürlich geht es auch um juristische Themen...ist es möglich, einen Straftatbestand wie Verschwörung gegen den Frieden rückwirkend einzuführen? Und ist die selektive Anwendung ein Problem, etc. pp.

Für zeitgeschichtlich Interessierte ist dieses Buch einerseits ein Leckerbissen, keine Frage.

Andererseits: Es kam bei mir nicht diese Faszination auf, die ich beim Lesen des zu Beginn genannten Buches hatte. Der Gerichtspsychologe, der aus dem Nähkästchen plauderte, wirkte auf mich faszinierender als die stellenweise etwas trocken vorgetragenen Biographien einzelner Schrifsteller/Journalisten.

Die Kapitel wirkten auf mich etwas "abgehackt" - kaum hatte man sich in eine Biographie eingelesen, kam schon die nächste Person dran, und wieder ging es los mit zig Namen aus dem Umfeld dieser Person. Sehr interessant, gewiss - aber es fehlte mir gewissermaßen der rote Faden, der diese Biographien im Buch verknüpfte.

Mein Fazit:

Insgesamt eine lesenswerte Neuerscheinung zum Thema Nürnberger-Prozesse:

Uwe Nachtmahr: Das Schloss der Schriftsteller

Eine kostenlose Leseprobe in Form einer PDF-Datei finden Sie bei Interesse unter diesem Link.

Mit herzlichem Gruß!

Ihr

Michael Vaupel

Diplom-Volkswirt / M.A.

Michael Vaupel

"Fairness, Respekt vor Mensch und Tier sowie der gewiefte Blick für clevere Investment-Chancen - das lässt sich meiner Ansicht nach sehr wohl vereinen. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir diese Ansicht gemeinsam vertreten werden - auch gegen den Mainstream."

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