Rezension: Grenzland Eifel

Rezension: Grenzland Eifel

Historische Erzählkunst auf hohem Niveau: Das ist meine Bewertung der Neuerscheinung "Grenzland Eifel - zwischen Baum und Borke" von Michael Heinzel. Das Büchlein befasst sich auf gut 120 Seiten mit der Grenzregion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien.

Ich räume ein: Ich bin befangen. In zahlreichen Eifel-Exkursionen bin ich auch in diese Region vorgestoßen. Als ich noch jünger und dümmer war, rieb ich mir verwundert die Augen, dass ich mich nach dem Grenzübertritt nach Belgien bei einem Volksfest in Büllingen direkt heimisch fühlte. Das mir als Rheinländer vertraute ripuarische Idiom kombiniert mit Eifeler Gemütlichkeit waren dort untrennbar mit Stadt und Mensch verbunden, so mein Eindruck.

Inzwischen weiß ich längst, dass diese Region zum Gebiet der "DG" = Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens gehört. Es ist die kleinste der drei belgischen Gemeinschaften (neben der Flämischen und der Französischen/Wallonischen Gemeinde) und ein Gliedstaat mit weitgehenden Autonomierechten.

Ein liebenswertes „Lummerland“, das in der Vergangenheit zwischenzeitlich harte Zeiten hatte - es sei an die Ardennen-Offensive zu Ende des Zweiten Weltkriegs erinnert, als z.B. die Stadt St. Vith in der Region nahezu dem Erdboden gleichgemacht wurde.

Der Autor des Büchleins behandelt genau diese Grenzregion und schafft es, in einem Spagat zwischen Erzählung und Geschichtsbuch lesenswert die Geschichte dieser interessanten und landschaftlich reizvollen Region zu vermitteln.

Gewiss, ein Grundinteresse an der Region sollten Sie schon haben, um dieses Buch zu lesen. Ohne dieses Grundinteresse wäre die Lektüre so interessant wie z.B. für mich ein Fachbuch über die unterschiedlichen Dialekte des 19. Jahrhunderts im Ferganatal in Mittelasien.

Ist das gewisse Grundinteresse vorhanden, dann bietet sich hier eine faszinierende Lektüre für Liebhaber der Region. Der Autor führt als Rahmenhandlung eine Familiengeschichte ein (Familie Igelmond-Lambert - rein fiktiv). In der Familie mussten die Mitglieder teilweise 6 Mal innerhalb von 60 Jahren die Nationalität wechseln. Wie das? Erster und Zweiter Weltkrieg, weiß man ja, dass da die Region "Eupen-Malmedy" die Besitzer wechselte.

Doch auch nach dem Zweiten Weltkrieg waren einige deutsche Eifeldörfer außerhalb von Eupen-Malmedy zwischenzeitlich von Belgien besetzt - doch nicht formal annektiert. Wer weiß das heute schon noch?

Es gab ein interessantes Zwischenspiel und einen belgischen General namens Bolle, der sein "kleines Königreich" von ca. 20 Quadratkilometern gewissermaßen mit Schirm, Charme und Melone regierte. 1956 war damit Schluss, als der deutsche Bundeskanzler Adenauer in Verhandlungen erreichte, dass diese Dörfer zur Bundesrepublik kamen.

Es spricht für den Autoren des Buches, dass er den Nachlass des Generals Bolle dazu ausgewertet hat. Und er kramt zahlreiche Kuriosiäten heraus - zum Beispiel den Grenzverlauf. Da die Vennbahn (der Autor ist Eisenbahnexperte) belgisches Staatsgebiet war, gab es westlich der Vennbahn einige deutsche Exklaven. Im Gegenzug war eine Landstraße zwar "deutsch", sie führte aber durch belgisches Gebiet.

Das führte zu kuriosen Grenzverläufen und die Anwohner nutzten das teilweise listig aus, z.B. um Steuerunterschiede zu nutzen.

Einige Male tauchen in dem Buch zudem bedeutende Schriftsteller auf - nämlich Ernest Hemingway und Alfred Andersch...beide haben jeweils in einem ihrer Bücher diese Region vorkommen lassen...

Insgesamt ein charmantes Büchlein mit einigen stimmigen historischen S/W-Fotografien, das ich historisch Interessierten und Eifel-Liebhabern gleichermaßen ans Herz legen möchte:

Michael Heinzel: Grenzland Eifel - zwischen Baum und Borke

Mit herzlichem Gruß!

Michael Vaupel

Diplom-Volkswirt

P.S.: Sollte die genannte Lektüre bei Ihnen die Lust auf eine Reise in die Eifel geweckt haben - bei mir war das definitiv der Fall -, dann möchte ich Ihnen noch einen dazu passenden Reiseführer ans Herz legen. Und zwar das handliche Büchlein "Geheimnisvolle Eifel", in dem insgesamt 13 Touren beschrieben sind. Das Besondere hierbei: Es geht um eher düstere, geheimnisvolle Themen bzw. wie es im Untertitel heißt:

Zu Geschichten und Mythen von Raubrittern, Hexen und Galgenvögeln

Doch manchmal geht es auch eher heiter zu, mit einem feinen Blick für feine Details. Ein Beispiel: Bei der Tour um Nideggen herum stieß der Autor auf eine Bank mit dem Hinweisschild "In Memoriam Jean Löring". Der Autor recherchierte...es handelte sich um eine schillernde Persönlichkeit des deutschen Fußballs. In den 1960er führte er Fortuna Köln aus der Verbandsliga bis letztlich in die 1. Bundesliga (1973/1974). Als er einmal Stadionsperre hatte, umging er diese, indem er als Weihnachtsmann verkleidet ins Stadion ging.

Für meinen Geschmack hätten die jeweiligen Karten etwas größer sein können. Und die Länge der Strecken - zwischen 15 und 25 Kilometer - ist durchaus ambitioniert für träge Etappenhengste wie mich. Bei einer Tagestour durch die Eifel ist ansonsten bei mir die Obergrenze bei 15 Kilometern. Aber das mag gegen mich und nicht gegen das Buch sprechen.

Insgesamt auch angesichts des Mitnahmepreises von 5 Euro eine Empfehlung für diesen Eifel-Wanderführer:

Geheimnisvolle Eifel, erhältlich direkt - nomen est omen - beim Eifel Verlag unter diesem Link.

Eine kostenlose Leseprobe von "Geheimnisvolle Eifel" finden Sie in Form einer PDF-Datei bei Interesse unter diesem Link.

Michael Vaupel

"Fairness, Respekt vor Mensch und Tier sowie der gewiefte Blick für clevere Investment-Chancen - das lässt sich meiner Ansicht nach sehr wohl vereinen. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir diese Ansicht gemeinsam vertreten werden - auch gegen den Mainstream."

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