Rezension: Solidarität mit Zimbabwe
Nach der Lektüre dieser Neuerscheinung kam mir eine Zeile aus dem Lied "Verdamp lang her" der rheinischen Band BAP in den Sinn:
Nicht resigniert, doch reichlich desillusioniert...
Denn in diesem Sammelband (Herausgeber Henning Melber) geht es um einen Rückblick, gewissermaßen eine Nabelschau des "Zimbabwe Netzwerk". Es kommen zahlreiche handelnde Personen dieses Netzwerkes zu Wort. Dabei geht es durchaus selbstkritisch zur Sache.
Zimbabwe wurde bekanntlich 1980 unabhängig, zuvor wurde es von einer rassistischen weißen Minderheit regiert.
Entsprechend engagierten sich im "Zimbabwe Netzwerk" durchaus unterschiedliche Persönlichkeiten im Hinblick auf eine Unabhängigkeit des Landes. Ein in den Texten mehrfach genannter gemeinsamer Hintergrund war die Sozialisation als "68er".
Entsprechend selbstgewiss fiel damals die Haltung einiger Mitglieder des Netzwerkes aus:
Da die "Bösen" = imperialistischen Kapitalisten, da die "Guten" = afrikanischen Freiheitskämpfer.
Dass nach der Unabhängigkeit die Freiheitskämpfer keineswegs durchweg die "Guten" waren/blieben - genau diesem Erkenntnisprozess stellen sich zumindest einige der Autoren in diesem Buch.
Bemerkenswert finde ich insbesondere den Text von Helmut Orbon. Dieser ausgewiesene Kenner der Materie schreibt zudem aus meiner Sicht "Klartext", ich möchte einige Kernaussagen seines Textes zitieren:
"40 Jahre später wuissen wir, dass aus der Hoffnung auf grenzenlose Freiheiten und die wirtschaftlich blühenden Landschaften in Zimbabwe nichts geworden ist. "
"Im Rückblick kann man sicherlich sagen, dass es naiv war anzunehmen, dass Mugabes ZANU (...) wegen ihrer Erfolge im Befreiungskampf automatisch und für alle Zeiten zum ´fortschrittlichen Lagerfür eine bessere Welt´gehörten."
"viele falsche Hoffnungen und spätere Enttäuschungen" "blauäugiges Wunschdenken"
- Helmut Orbon
Es dauerte bei manchen Jahre, bis sie merkten, dass sie keineswegs uneingeschränkt solidarisch sein sollten. Oder, wie Henning Melber es treffend sinngemäß formuliert: Solidarität - hin zu Menschen, weg von Organisationen antikolonialer Befreiung und ihren Repräsentanten...
Das Thema Menschenrechtsverletzungen von diesen "unseren" Befreiungskämpfern - das konnte oder durfte es nicht geben. Damit konnten wir nicht umgehen. Dabei hätten bereits in den 1980ern Vorgehen die Massaker in Zimbabwe gegen sogenannte Ndebele-Opposition zu einem Umdenken führen können.
Als jemand, dem das südliche Afrika am Herzen liegt, der aber - da jüngere Generation - den Befreiuungskampf der 1980er überhaupt nicht mitbekommen hat, blieb ich nach der Lektüre des Buchs gewissermaßen ratlos zurück.
Viele Dinge in den Texten sind mir fremd - und interessieren mich im Nachgang auch nicht. Wann genau in den 1970ern z.B. ein "Mainzer Arbeitskreis Südliches Afrika" gegründet wurde, oder was die Frauenarbeit der EFD (Evangelische Frauenarbeit in Deutschland) in den 1970ern in "Workshops" leistete...schön und gut, doch meine Begeisterungsfähigkeit für solche Informationen hielt sich dann doch in Grenzen.
Tempora mutantur, nos et mutamur in illis - Die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns in ihnen.
Aufhorchen ließen mich neben der exzellenten Einführung von Henning Melber und dem sehr lesenswerten Text von Helmut Orbon z.B. ein Interview mit einem früheren Finanzminister der Mugabe-Regierung.
Ansonsten kann ich das Buch eher nur denen empfehlen, die einen persönlichen Bezug zum "Zimbabwe Netzwerk" haben und die auch z.B. die Fleißarbeit der Aufstellung der Seminare des Netzwerkes (von 1982 an) zu würdigen wissen.
Was ich noch "mitgenommen" habe, ist eine Art Fazit von Henning Melber. Dazu zitiert er wiederum Charlotte Wiedemann:
"Mitgefühl ist nicht gerecht, es folgt nicht dem Grundsatz von Gleichheit aller Menschen: Den Schmerz der Anderen zu empfinden, mag unmöglich sein, aber ihn zu begreifen und zu respektieren, ist ein realistisches und notwendiges Ziel."
...und kommt zu dem Schluss: Das müsse zentral sein, "wenn Solidarität ernst genommen wird und den Namen verdient". Und da bemerkte ich, dass ich nach dem Lesen dieses Abschnitts dem Autoren innerlich zunickte.
Mit herzlichem Gruß!
Ihr
Michael Vaupel
Diplom-Volkswirt / M.A.