Rezension: Unsere kurze Ewigkeit
Wie kommt es, dass ich hier den "Roman einer Ehe" bespreche? Der Grund ist dieser: Diese interessante Neuerscheinung (Piper Verlag) dreht sich um die Ehe von Margarete und Fritz Krupp.
Die Autorin ist zudem Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und hat entsprechend psychologische Deutungsversuche der beiden Protagonisten verschriftlicht. Das hat mich neugierig gemacht.
Dies umso mehr, weil ich voraussichtlich kommenden Monat zusammen mit Markus Dufner (Geschäftsführer des Dachverbands der Kritischen Aktionäre) einen Bildungsurlaub leiten werde, Thema "Aktien."
Als Fallbeispiel haben wir den ThyssenKrupp-Konzern gewählt. Es steht auch eine Exkursion zum Werksgelände in Duisburg an.
Und um ein ganzheitliches Bild zu erhalten, habe ich eben besagte Neuerscheinung gelesen.
Das hat mir einiges an Erkenntnisgewinn gebracht.
Margarete Krupp veranlasste zum Beispiel eine Arbeitersiedlung im Gartenstadt-Stil, welche heute einer der besseren Stadtteile von Essen ist (Margaretenhöhe).
Auch wurde mir klar, warum Margarete Krupp eine starke Persönlichkeit war, die den Erfolg des Konzerns während ihrer Zeit förderte - auch und gerade dann, wenn ihr Mann schwächelte.
Doch dieses Buch ist kein Sachbuch, sondern ein Roman bzw. historischer Roman.
Das bedeutet: Die Autorin hat sich an Fakten gehalten - außer natürlich bei Dingen wie den Gedanken der Protagonisten. Aber auch da hat sie nicht frei erfunden, sondern laut eigener Aussage das beschrieben, was aus Ihrer Sicht als Fachärztin plausibel gewesen wäre.
Dieser Ansatz hat einen ganz besonderen Charme. Wir haben als Leser das Gefühl, intensiv an den Entscheidungsfindungen der Protagonisten teilzuhaben. Dinge, die sich aus der Sicht des einen "falsch" anfühlen, machen aus Sicht des/der anderen Sinn...und umgekehrt.
Und ganz nebenbei wird eine Menge Wissen über die Krupp-Dynastie vermittelt (und auch über das Deutsche Kaiserreich, ein kleiner Fehler ist mir aufgefallen: Die im Text genannte "Reichswehr" gab es erst nach Ende des Kaiserreichs).
Dieser Ansatz hat aber auch gewisse Nachteile.
So fand ich es zunächst ansprechend, dass die Autorin ihre handelnden Personen im Jargon der Zeit zitiert und auch denken lässt.
Doch nach einiger Zeit fand ich es etwas ermüdend, im etwas gestelzten Stil des 19. Jahrhunderts von "entzückenden Empfängen", "reizenden" Personen etc. zu lesen...
Beim Thema Sexualität wird arg geschwurbelt, wenn z.B. von "Handlungen (...) die zwingend notwendig waren, um eine Schwangerschaft herbeizuführen" geschrieben wird.
Manche Themen, die im Roman breiten Raum einnehmen - wie das Thema einer möglichen Homosexualität von Fritz Krupp - wirken aus heutiger Sicht nur mäßig interessant. Ob er es war oder nicht, ist mir persönlich so wichtig wie mein Glas Bier, wenn es leer ist. Im Roman spielt es aber eine durchaus zentrale Rolle, auch wenn es um....doch stopp, ich möchte nicht zuviel verraten.
Insgesamt eine durchaus "aparte Neuerscheinung" (um im Jargon des 19. Jahrhunderts zu bleiben), insbesondere für diejenigen von uns, welche an der historischen Familie Krupp interessiert sind und gerne Romane lesen:
Eine kostenlose Leseprobe finden Sie bei Interesse unter diesem Link.
Melanie Metzenthin: Unsere kurze Ewigkeit
Angenehme Lektüre!
Ihr
Michael Vaupel
Diplom-Volkswirt / M.A.