Was unsere Entscheidungen verzerrt

Was unsere Entscheidungen verzerrt

Zwei Wissenschaftler, deren Bücher ich bisher äußerst gerne gelesen habe, sind Daniel Kahnemann (Autor zum Beispiel von "Schnelles Denken, langsames Denken") und Cass R. Sunstein (Co-Autor von "Nudge. Wie man kluge Entscheidungen anstößt").

Zu letztgenanntem Buch notierte ich mir (eben nachgeschaut), Zitat:

Super Ansatz! "Dritter Weg", "libertäre Paternalisten"

Merke ich mir, falls ich einmal wohlwollender Diktator eines Staates werde. Wieso ich Ihnen das erzähle:

Beide Autoren haben nun zusammen ein Buch veröffentlicht, zusammen mit dem Unternehmensberater Olivier Sibony, der mir bisher unbekannt war.

Da gleich zwei von mir hochgeschätzte Autoren an dem neuen Werk namens "Noise" beteiligt waren, habe ich es umgehend gelesen.

Der Untertitel des Buches bringt auf den Punkt, um was es geht:

Was unsere Entscheidungen verzerrt - und wie wir sie verbessern können

Was ist denn nun mit dem altdeutschen Wort "Noise" gemeint? Es geht da um Verzerrungen von Einschätzungen/Entscheidungen. Die Autoren bringen zur Erläuterung eine Abbildung, die es auf den Punkt bringt. Hier zunächst die Abbildung, dann in meinen Worten die Erklärung:

 

Quelle: Verlag

Dargestellt sind Zielscheiben. Team A ist offensichtlich klasse - da liegen die Einschüsse alle ziemlich in der Mitte.

Doch was ist das? Bei Team B liegen die Einschüsse deutlich schlechter. Aber sie streuen keineswegs wild um die Mitte - sondern sie konzentrieren sich um den Quadranten links unten.

Der Clou: Wenn wir die Rückseiten der Zielscheiben betrachten würden, ließe sich nicht sagen, ob Team A oder Team B besser lag.

Wir haben es hier mit einer systematischen Verzerrung zu tun - einem "Bias", wie es im Buch heißt.

Bei Team D gibt es ebenfalls diesen Bias (auf den Quadranten links unten) - aber zusätzlich ein "Verrauschen". Letzteres wird im Buch mit "Noise" bezeichnet.

Und Team C wiederum hat keinen Bias, aber dafür beachtliches "Noise".

Auch, wenn nicht klar ist, wo denn nun genau das Ziel liegt - das Ausmaß von "Noise" lässt sich messen.

Im Buch werden dann Beispiele aus Medizin, Wirtschaft, Justiz genannt - Beispiele dafür, wo/wie es zu "Noise" kommt.

Ein und derselbe Sachverhalt kann von unterschiedlichen Personen unterschiedlich bewertet werden (kennt man ja aus Beziehungen/Ehe). Es kommt zu Verzerrungen.

Das kann beim Fall von Gerichtsurteilen oder Einschätzungen von Röntgenbildern natürlich wichtig sein.

Ein Fehler einer einzelnen Messung setzt sich also zusammen aus Bias (was auch Voreingenommenheit sein kann) und "Noise" (= Streuungsfehler).

Die Autoren analysieren im Buch einzelne Aspekte dieses Phänomens.

So gibt es beispielsweise "Pattern-Noise", wenn Entscheider in bestimmten Punkten anderer Meinung sind.

Es gibt aber auch "Occasion Noise" - die Tatsache, dass dieselbe Person denselben Sachverhalt manchmal so und manchmal so sieht.

Ein Beispiel ist zum Beispiel ein Richter, der vor der Mittagspause anders entscheidet als am frühen Morgen.

Das Beispiel kommt Ihnen bekannt vor? Mir auch - denn das habe ich bereits in irgendeinem Buch eines der genannten Autoren gelesen. Und so ging es mir hier einige Male.

Ob Verfügbarkeitsheuristiken, Verankerung, Verlustaversion - das wird auch hier aufgegriffen, ist aber bei Kahnemann bereits in früheren Werken behandelt worden.

Das ist natürlich legitim und absolut nachvollziehbar. Es hat bei mir aber manchmal dazu geführt, dass ich Seiten "quergelesen" habe.

Ein Kernthema des Buches ist es natürlich, wie wir "Noise" entgegenwirken können.

Hier sehe ich zum Beispiel den verstärkten Einsatz von Algorithmus keineswegs als Allheilmittel - denn diese können wieder ganz andere Probleme mit sich bringen.

Doch dazu kann sich jede/r sein/ihr eigenes Bild machen nach Lektüre des Buches.

Ich bin mit hoher Erwartungshaltung an das Buch herangegangen, was oft genug ein Fehler ist - weil solche hohen Erwartungen dann leicht enttäuscht werden können.

Und so war es hier für mich teilweise. Manchmal hatte ich das Gefühlt, die Kernthese hätten sich auch mit deutlich weniger Seiten herausstellen lassen. Das Thema selbst fand ich auch nicht so eingängig wie manche Themen der Verhaltensökonomie.

Insofern ein eher gemischtes Fazit meinerseits für:

Kahnemann, Sibony, Sunstein: Noise. Was unsere Entscheidungen verzerrt - und wie wir sie verbessern können

Eine kostenlose Leseprobe finden Sie bei Interesse unter diesem Link.

Ich wünsche Ihnen und Ihren Lieben einen angenehmen 2. Weihnachtsfeiertag! Viele Grüße,

Ihr

Michael Vaupel

Diplom-Volkswirt / M.A.

Michael Vaupel

"Fairness, Respekt vor Mensch und Tier sowie der gewiefte Blick für clevere Investment-Chancen - das lässt sich meiner Ansicht nach sehr wohl vereinen. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir diese Ansicht gemeinsam vertreten werden - auch gegen den Mainstream."

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