Bringt doch ohnehin nichts?

Bringt doch ohnehin nichts?

Ein Leser schrieb mir eine interessante Email, ich zitiere:

„Mit viel Freude lese ich Ihre Anmerkungen zum Markt, Unternehmen, der Gesellschaft und vor allem auch zu Projekten in Drittweltländern. Ihre ethisch/moralischen Bedenken zum Handel mit Rohstoffen wie Weizen oder Mais sind auch bei mir tief verwurzelt. (…) Ab wann ist es moralisch vertretbar gegen ein Unternehmen/Land/Sektor zu „wetten“, bzw. habe ich mit meinen Mitteln überhaupt einen Einfluss auf ein gut aufgestelltes Unternehmen wie z.B. die Südzucker AG oder K+S? Muss ich zwischen westlichen Unternehmen und Unternehmen aus Drittweltländern trennen, wenn ich Short gehe? Oder gibt es vielleicht sogar eine Legitimierung a la Robin Hood, Aktien von Unternehmen wie Glencore oder Freeport McMoran leerzuverkaufen, und im Gegenzug nachhaltige Unternehmen wie Steico oder Vereinigte BioEnergie zu kaufen und damit zu unterstützen?“

Meine Antwort: Zunächst einmal finde ich es klasse, dass ich nicht der einzige bin, der sich solche Gedanken macht. Ich versuche (sage bewusst: „versuche“!) beim Investieren nach dem Kategorischen Imperativ von Kant zu handeln. Dieser lautet in seiner Grundform: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Ich habe das für mich selbst abgewandelt, auf diese Version: Wenn alle so investieren würden wie ich – wäre das dann für die Gesellschaft/Welt schlecht oder gut?

  •     Wenn es gut wäre – dann ist das genau so in Ordnung!
  •     Und wenn es nicht gut wäre – dann ändere dein Verhalten, Vaupel!

Diese Fragestellung nun konkret angewendet auf einige Anlagekategorien:

Zertifikate auf Weizen/Mais/Reis – allgemein, Grundnahrungsmittel: Hier sehe ich Probleme. Denn ich habe früher durchaus solche Scheine getradet. Aber bekanntlich sichern sich die Emittenten solcher Scheine durch das Eingehen von Positionen am Futures-Markt ab. Wenn ich also ein Mais Long-Zertifikat kaufe, stelle ich mir die obige Frage: „Wenn alle so investieren würden wie ich – wäre das dann für die Gesellschaft/Welt schlecht oder gut?“ Wenn „alle“ so investieren würden, dann würde der Emittent massiv Long-Positionen bei Mais eingehen. Das könnte mit hoher Wahrscheinlichkeit den Kassapreis von Mais steigen lassen. Und dann wäre ich mit-verantwortlich, dass z.B. der Preis für Maistortillas in Mexiko steigt, mit Auswirkungen auf die Ernährung von zig Menschen? Nein, danke.

Anders bei Aktien. Ob ich die nun shorte oder long gehe – grundsätzlich berührt dies das operative Geschäft des Unternehmens nicht. Denn was kümmert es die Forschung und Entwicklung oder die Umsätze eines Unternehmens, was dessen Aktienkurs macht? Beide können sich durchaus „losgelöst“ voneinander entwickeln. Genau das bietet ja auch manchmal Chancen, wenn es nämlich deutliche Diskrepanzen zwischen der Kursentwicklung einer Aktie und der fundamentalen Entwicklung eins Unternehmens gibt. Langfristig kann sich aber auch das auswirken. Denn wenn sich ein Unternehmen über eine Eigenkapitalerhöhung refinanzieren möchte, geht das natürlich leichter, wenn sich der Kurs „schön entwickelt“ hat – und nicht, wenn er sich in den letzten 12 Monaten halbiert hat.

Ähnlich bei Unternehmensanleihen. Wenn ich die am Sekundärmarkt kaufe, ist das dem Unternehmen relativ „schnuppe“. Die Einnahmen durch die Emission hat das Unternehmen längst erhalten. Doch wenn ich eine Anleihe bei einer Emission kaufe, dann fließen die Mittel direkt dem Unternehmen zu.

Dies nur als „brainstorming“ zum Thema. Einen Aspekt möchte ich noch betonen: Die Möglichkeit, direkt auf die Geschäftsführung Einfluss zu nehmen. Machen die wenigsten – dabei sollten wir nicht vergessen, dass wir als Aktionäre Eigentümer der betreffenden Unternehmen sind. Zwar nur mit einem winzig kleinen Anteil, aber immerhin.

Und gemäß obiger Fragestellung versuche ich deshalb durchaus, unterstützungswürdige Anträge von Aktionären zu unterstützen – oder eben nicht. Es gibt auch die Möglichkeit, sein Stimmrecht dem „Dachverband der Kritischen Aktionäre“ zu übertragen. Bis jetzt haben mich die Vertreter dieses Verbandes auf Hauptversammlungen überzeugt, sowohl was ihre ethische Grundhaltung als auch was ihre Kompetenz in Finanzfragen betrifft. Großes Lob z.B. an die Herren Ehresmann oder Russau. Wenn Sie denen Ihr Stimmrecht übertragen, unterstützen Sie deren kritische Nachfragen.

Und so etwas gefällt mir. Dann muss ich keineswegs Aktien von „fragwürdigen Unternehmen“ strikt meiden – sondern kann mich als verantwortungsbewussten Miteigentümer sehen und versuchen, Dinge zum Besseren zu wenden. Finde ich jedenfalls konstruktiver, als eine „bringt doch eh nichts“-Einstellung.

Michael Vaupel

"Fairness, Respekt vor Mensch und Tier sowie der gewiefte Blick für clevere Investment-Chancen - das lässt sich meiner Ansicht nach sehr wohl vereinen. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir diese Ansicht gemeinsam vertreten werden - auch gegen den Mainstream."

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