Rezension: Klavierstimmer Ihrer Majestät
Diese Neuerscheinung wäre wahrscheinlich an mir vorübergegangen - wenn mir nicht der Name des Autors aufgefallen wäre. Denn Daniel Mason (Jahrgang 1976) ist der Autor des von mir sehr geschätzten historischen Romans "Der Wintersoldat" (hier meine Rezension vom August 2019).
Damals schrieb ich zu dem Buch: "Für mich die bisher beste literarische Neuerscheinung des laufenden Jahres." Und so ist es geblieben, "Der Wintersoldat" ist mein Lieblingsbuch des Jahres 2019.
Nun also erschien dieses Jahr ein weiterer Roman von ihm: Der Klavierstimmer Ihrer Majestät
Hierzu gilt es allerdings zu beachten, dass dies kein neuer Roman des Autors ist, denn im englischen Original wurde das Werk bereits 2002 veröffentlicht. Der renommierte C.H. Beck Verlag veröffentlichte den Roman allerdings in diesem Jahr auf Deutsch.
Der Titel irritierte mich - der Klavierstimmer Ihrer Majestät, geht es da um die Queen von England? Nicht ganz. Denn Protagonist des Romans ist ein etwas verschrobener britischer Klavierstimmer, der aus seinem gemächlichen Alltag im London der 1880er Jahre herausgerissen wird. Denn weit entfernt im Dschungel Burmas hat es ein dort stationierter britischer Militärarzt geschafft, Feindseligkeiten mit den Einheimischen mit Hilfe der Musik beizulegen. Dabei spielt ein Klavier eine wichtige Rolle, ein sogenannter Érard-Flügel. Dieser geht zurück auf den gleichnamigen Instrumentenbauer, einem Elsässer, der mit Geburtsnamen eigentlich Sebastian Ehrhardt hieß.
Ich muss Acht geben, hier nicht zu "spoilern", sprich wichtige Handlungsstränge vorweg zu nehmen. Der Charme des Romans kommt durch die Konfrontation des biederen Klavierstimmers mit einer für ihn zunächst völlig fremden Welt zustande. Doch es zeigt sich nach und nach, dass nicht alles so ist, wie es den Schein zu haben scheint. Der Roman nimmt einige überraschende Wendungen - letztlich aber stellte ich fest, dass mir "Der Wintersoldat" mehr gefallen hat. Denn wo sich "Der Klavierstimmer Ihrer Majestät" manchmal in für mich uninteressanten Details verliert (zum Vorgang des Stimmens eines Klaviers...), da lebt "Der Wintersoldat" von psychologisch äußerst stimmig gezeichneten Charakterstudien.
Vielleicht mag das daran liegen, dass sich der Autor in der Tat weiterentwickelt hat (diesen überstrapazierten Begriff verwende ich sonst nicht gerne). Denn während ich den Wintersoldaten kaum aus der Hand legen wollte, ertappte ich mich beim Klavierstimmer einige Male dabei, die Abschnitte zum Stimmen des Flügels überspringen zu wollen.
Doch eins ist für mich klar: Daniel Mason schafft es in beiden Büchern, eine gute Geschichte zu erzählen. Und wer wie ich historisch interessiert ist, der erfährt sozusagen ganz nebenbei einiges über die geschichtlichen Rahmenbedingungen. Denn der Autor stellt im Nachwort klar: Die Hauptpersonen des Romans und deren Handlungen sind fiktiv - die historischen Rahmenbedingungen jedoch keineswegs. Erfreulicherweise finden sich deshalb auch zwei aussagekräftige Karten im Einband des Buches.
Daniel Mason: Der Klavierstimmer Ihrer Majestat
Eine kostenlose Leseprobe in Form einer PDF-Datei finden Sie unter diesem Link.
Es sage keine(r) mehr vor Lektüre dieses Buches, er/sie habe Langeweile!
Viele Grüße und schönen Abend,
Ihr
Michael Vaupel
Diplom-Volkswirt / M.A.
