Rezension “Kriegstage in Südwest“

Rezension “Kriegstage in Südwest“

Eine interessante Quelle zur Sichtweise einer Zivilistin auf den Ersten Weltkrieg in Deutsch-Südwestafrika sind die Tagebücher von Cissy Willich der Jahre 1914/1915.

Das Tagebuch wurde bereits im Jahr 1916 veröffentlicht, war zuletzt aber antiquarisch kaum noch zu erhalten. Diesen Monat hat der Glanz & Gloria Verlag einen Nachdruck des Tagebuches veröffentlicht.

Der Herausgeber Bernd Kroemer ermöglicht es mit dieser Neuerscheinung, uns an der subjektiven Sichtweise der Autorin teilhaben zu lassen. Diese kam einige Jahre vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs nach Deutsch-Südwestafrika und arbeitete dort als Lehrerin. Auch ihren späteren Mann – Alexander Freiherr von Scheele – lernte sie dort kennen.

Deutsche Kriegsgfangene (Quelle: "Kriegstage in Südwest")

Die Gliederung des Buches ist praktikabel: Nach stimmigem Vorwort und Danksagung des Herausgebers folgt eine Einführung von gut drei Seiten durch den deutschen Historiker Wolfgang Reith. Dieser gibt interessante Hintergrundinformationen zu Cissy Willich. Nach der Okkupation Deutsch-Südwestafrikas kehrte sie über Südafrika und die Niederlande zunächst nach Deutschland zurück, um dann 1920 nach Argentinien auszuwandern. Später gelangte sie über Spanien und nochmals Argentinien nach Deutschland zurück, wo sie 1970 verstarb.

Doch das ist zum Zeitpunkt des nachgedruckten Tagebuchs aus den Jahren 19114/1915 noch Zukunftsmusik. So wie wir alle unsere Leben letztlich erst rückwärts verstehen, müssen wir diese doch vorwärts leben. Das gilt auch für Cissy Willich und gerade das macht die Lektüre des abgedruckten Tagebuchs so interessant und durchaus mitreißend.

Ein Beispiel: Bei Kriegsausbruch schildert Cissy Willich die durchaus euphorische Stimmung im Schutzgebiet. So schildert sie, wie „ein eifriger Patriot“ auf dem Bahnhof einen Korb mit Sektflaschen spendet, um den abfahrenden Soldaten einen Trunk zu kredenzen. Siegesgewiss und ausgelassen die Stimmung, so die Autorin – mit Hurra-patriotischen Sprüchen wie

„Kinder, seid lustig, es geht dem Tommy an den Kragen“.

Die Autorin teilt diese Stimmung durchaus.

        Lazarett in Deutsch-Südwestafrika im 1. Weltkrieg (Quelle: "Kriegstage in Südwest")

Verblüfft liest der derzeitige Leser solche Schilderungen über die damalige Stimmungslage. Den Menschen im Schutzgebiet muss doch klar gewesen sein, dass die militärische Lage Deutsch-Südwestafrikas nach dem Kriegseintritt der südafrikanischen Union und des britischen Weltreichs im Grunde hoffnungslos war. Und dennoch diese „frohe Zuversicht“, die „im ganzen Lande“ herrscht und laut der Autorin „sogar die Eingeborenen“ angesteckt hat.

Für heutige Leser ist es auch aus psychologischer Sicht interessant zu sehen, wie dieser Optimismus der Autorin im Laufe der Monate zunächst zurückgeht, um dann einer geradezu depressiven Stimmung zu weichen. Doch es sei an dieser Stelle nicht zu viel verraten. Hervorzuheben ist noch die äußerst gelungene Bildauswahl (einige der Fotos hier im Beitrag), denn das Buch ist mit zahlreichen Illustrationen aus der damaligen Zeit ausgestattet.

Hierbei fällt indes negativ auf, dass bei der Quellenangabe der Bilder einige Male lediglich „Internet“ angegeben wird. Im Vorwort ist zudem eine offensichtliche Anmerkung des Lektorats versehentlich abgedruckt.

Mein Fazit:

Insgesamt ist diese Neuerscheinung ein wichtiges Zeitdokument für die Stimmungslage in Deutsch-Südwestafrika während des Ersten Weltkriegs. Dank an Bernd Kroemer für die Idee zu dieser für lokalhistorisch Interessierte kaufenswerten Neuerscheinung.

Britische Soldaten zensieren Post. Quelle: "Kriegstage in Südwest"

Michael Vaupel

"Fairness, Respekt vor Mensch und Tier sowie der gewiefte Blick für clevere Investment-Chancen - das lässt sich meiner Ansicht nach sehr wohl vereinen. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir diese Ansicht gemeinsam vertreten werden - auch gegen den Mainstream."

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