Rezension: Carnegie

Rezension: Carnegie

Ich gebe zu, ich bin befangen: Andrew Carnegie finde ich als historische Persönlichkeit und "als Mensch" höchst interessant. Ein Schotte aus einfachen Verhältnissen (Vater Gerber, Mutter Tochter eines Schuhmachers) schaffte es mit cleveren Geschäften, in den USA zu einem der reichsten Männer seiner Zeit (19. Jahrhundert) zu werden.

Doch das ist es noch nicht, was ich an ihm faszinierend finde. Es geht weiter, denn er äußerte sich wie folgt (übersetzt):

„Der Mann, der reich stirbt, stirbt in Schande.“

Das war kein "greenwashing Blabla", sondern er ließ Taten folgen. Er spendete den Großteil seines Vermögens für wohltätige Zwecke. Ein Bereich: Bildung, und zwar für die Massen und nicht für Eliten.

Mit seinem Geld wurden ca. 2.500 Bibliotheken errichtet, die es teilweise noch heute gibt ("Carnegie Library"). Er war auch an einer "Stiftung für internationalen Frieden" beteiligt, um nur einige Dinge zu nennen. Ich ziehe posthum meinen virtuellen Hut vor ihm.

Aber das nur als Einleitung - denn eigentlich geht es um ein neues Strategie-Brettspiel. Bevor Sie sich fragen, was das eine mit dem anderen zu tun hat:

Besagtes neues Spiel (Autor Xavier Georges) heißt nämlich "Carnegie" und spielt thematisch in der Zeit Andrew Carnegies.

Die Spieler/innen leiten da jeweils ein Unternehmen, das in den USA expandieren soll. Thematisch passend geht das durch Investitionen in Immobilien, Produktion, öffentliche Infrastruktur und die Verbesserung der eigenen Verkehrsnetze.

Und natürlich können die Spieler/innen spenden, was zwar kostet, aber spieltechnisch zu Ende eben Siegpunkte bringt.

Der Autor stellt klar: Carnegie ist ein Spiel und keine historische Simulation.

Das erfordert also, dass die Mechanismen des Spiels schlüssig sind und Spielfreude auch jenseits des Themas aufkommt. Ist das hier der Fall?

So sieht das Spiel aufgebaut aus

Zunächst zum Ablauf.

Zu Beginn einer Runde wählt der Startspieler/in auf einem vierzeiligen Plan eine Aktion aus. Je nach gewählter Zeile wird dann erst ein für alle gültiges Ereignis ausgelöst ("Einkommen" oder "Spenden").

Kerstück der Auswahl ist aber die Aktion selbst. Da gibt es vier Möglichkeiten:

  1. Personal: Damit können Mitarbeiter innerhalb der eigenen Abteilungen versetzt werden
  2. Verwaltung: Hiermit können Geld oder Waren erhalten werden - oder neue Abteilungen errichtet werden
  3. Konstruktion: Projekte werden realisiert (in den oben genannten Bereichen wie Immobilien oder öffentliche Infrastruktur)
  4. F & E (Forschung und Entwicklung): Neue Projekte werden erforscht, die dann später umgesetzt werden können (via "Konstruktion")

Nachdem der jeweilige Startspieler der Runde eine der vier Aktionen ausgewählt hat, können auch die anderen exakt dieselbe Aktion ausführen. Am Ende einer Runde können noch Mitarbeiter "aktivier" werden (es wird Lohn gezahlt, damit sie in der nächsten Runde aktiv sind). Das war es.

Der Startspielermarker wechselt, und die nächste Runde beginnt.

Nach 20 Runden ist Schluss und wenig überraschend gewinnt der/die mit den meisten Siegpunkten.

Hier meine Einschätzung:

Was uns zunächst etwas abgeschreckt hat, war die durchaus beachtliche Einstiegshürde. Denn die Piktogramme auf Spielplan und Abteilungen fand ich nicht intuititiv.

Sie mögen einwenden, dass dies gegen mich und nicht gegen das Spiel spricht, womit Sie wahrscheinlich Recht haben.

Doch wie so oft klärten sich hier nach einem Spiel die Piktogramme - und es gab mehrere "ach so" Momente, wenn klar wurde, wie die Mechanismen ineinander greifen.

Was ich gut fand: Da es sich hier um ein "worker placement" Optimierungsspiel handelt, besteht grundsätzlich die Gefahr, dass jede/r für sich auf seinem Spieltableau hinwurschtelt und den Mitspielern kaum Beachtung schenkt.

Das war hier nicht der Fall, da es erfreulicherweise auch darauf ankommt, Verbindungen zwischen US-amerikanischen Städten auf der Spielplan-Landkarte herzustellen.

Und da gibt es natürlich einen Wettbewerb, wer zuerst bestimmte Verbindungen belegt bzw. lukrative Projektplätze in größeren Städten belegt...

Mein Fazit:

Dieses Spiel ist keine Liebe auf den ersten Blick, es hat zunächst eher spröden Charme. Wer aber bereit ist, hier einzutauchen und etwas Gehirnschmalz investieren möchte, der findet ein stimmiges Expertenspiel mit wunderbar in sich greifenden Mechanismen und herausfordernden intellektuellen Wettstreit mit den Mitspielern.

Pegasus Spiele: Carnegie

Wenn Sie möchten, können Sie unter diesem Link einen Blick in die Anleitung als PDF-Datei werfen.

Ich wünsche Ihnen einen erfolgreichen Wochenstart!

Ihr

Michael Vaupel

Diplom-Volkswirt / M.A.

Michael Vaupel

"Fairness, Respekt vor Mensch und Tier sowie der gewiefte Blick für clevere Investment-Chancen - das lässt sich meiner Ansicht nach sehr wohl vereinen. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir diese Ansicht gemeinsam vertreten werden - auch gegen den Mainstream."

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