Rezension: Die Quacksalber von Quedlinburg
Als Strategiespieler habe ich am Wochenende das diesjährige "Kennerspiel des Jahres" mit Interesse getestet/gespielt:
Die Quacksalber von Quedlinburg von Schmidt Spiele. Hier meine Einschätzung:
Thematisch wusste ich zunächst einmal nicht, was mich erwartet: Ein "Bag-Building-Spiel für Kurpfuscher", spielerisch in Quedlinburg, Sachsen/Anahlt angesiedelt - wobei die Wahl des Ortes möglicherweise eher einer gewünschten Alliteration des Spielenamens zu verdanken ist. Wie auch immer - um was geht es in dem Spiel?
2-4 Spieler(innen) schlüpfen in die Rolle von mittelalterlichen Quacksalbern, die jeweils in einem persönlichen Kessel Tränke brauchen.
Zum Spielablauf:
- In insgesamt 9 Runden (fixe Rundenzahl) zieht jede(r) aus einem persönlichen Beutel (= dem "Bag", daher "Bag-Building") Spielchips. Diese werden dann im linksdrehenden Kessel platziert. Das Nachziehen endet, sobald entweder 8 oder mehr Knallerbsen-Punkte gezogen sind oder wenn der/die Spieler(in) aufhören möchte.
- Hier zeigt sich also ein recht hoher Zufallsfaktor. Doch dieser lässt sich über Wahrscheinlichkeiten steuern: Denn am Ende jeder Runde werden Siegpunkte und Geld verteilt entsprechend der erreichten Position im eigenen Kessel. Mit dem Geld lassen sich dann neue Zutaten = Chips kaufen. Da geht es dann um Kürbisse, Krähenschädel, Fliegenpilz, Totenkopffalter...
- Thematisch stimmig und schön illustriert. Spielmechanisch bieten diese neuen Chips dann Vorteile wie höhere Wertigkeit, Möglichkeiten zur Wegnahme von Knallerbsten, Vorteile für diejenigen, die am meisten Chips gezogen haben...
- In jeder Runde gibt es Punkte und Einkommen - für diejenigen, deren Kessel nicht explodiert ist (= weniger als 8 Knallerbsten-Punkte). Bei Explosion eines Kessels gibt es nur eins von beiden nach Wahl (Punkte oder Einkommen).
- Interaktion ist gering, da jeder seinen eigenen Trank braut (sprich: aus dem eigenen Beutel Chips nachzieht...)
Meine Einschätzung:
Zunächst war ich leicht irritiert. Beim "Kennerspiel des Jahres" hatte ich eher ein grübellastiges sogenanntes Euro-Game erwartet. Hier jedoch haben wir es mit einem - nach machbarer Einstiegshürde - eher schnellen "push-your-luck"-Spiel zu tun. Bei solchen Spielen geht es vereinfacht gesagt um "einer geht noch!" An Freitagabenden in der Kneipe, hier am Spieletisch in Bezug auf "ziehe ich noch einen Chip nach?" Denn zu gerne würde man ja beim persönlichen Kessel noch eine bessere Position erreichen...doch was, wenn noch eine Knallerbse gezogen wird, dann explodiert der Kessel, was Punkte oder Einkommen kostet...
Nachdem ich meine Erwartungshaltung korrigiert und mich auf das Spiel eingelassen hatte, hat es mir durchaus Spielfreude bereitet. Auch bietet sich durch unterschiedliche Sets eine schöne Variabilität. Ich würde Die Quacksalber von Quedlinburg eher als schönes gehobenes Familienspiel bezeichnen und weniger als Expertenspiel, wie es sonst in den Strategiespiel-Runden mit anderen Investoren bei mir auf den Tisch kommt. Insofern: Als Expertenspiel des Jahres hätte ich es wohl nicht ausgewählt, aber als Familienspiel finde ich es klasse!