Rezension: Gastrologik

Rezension: Gastrologik

Gerade habe ich eine interessante Neuerscheinung gelesen: Das Buch Gastrologik des britischen Professors für Experimentalpsychologie (University of Oxford) Charles Spence.

Erfreulicherweise zeichnen sich britische Wissenschaftler gelegentlich dadurch aus, dass Sie humorvoll und anekdotenreich auch über wissenschaftliche Themen berichten können. So auch hier (sonst würde ich Ihnen das Buch gar nicht vorstellen).

In dem Buch geht es um die sogenannte Gastrophysik

Was mit "Gastrophysik" gemeint ist? Ich zitiere den Autoren: „Man könnte Gastrophysik als die wissenschaftliche Untersuchung aller Faktoren definieren, die Einfluss auf unser multisensorisches Erleben beim Essen und Trinken haben.“

Oder, von mir selbst formuliert: Bei der Gastrophysik geht es um alles, was den Genuss beim Essen bestimmt – außer dem Essen „an sich“ (frei nach Kant).

Ein Beispiel: Der Autor verweist auf ein Experiment, das für Unilever durchgeführt wurde. Demnach empfanden dabei die Probanden Kartoffelchips „umso frischer und knuspriger“, je „prägnanter das Knuspergeräusch beim Reinbeißen ist“.

Oder Thema Farbe: Ein Getränk, das einen rosa Farbstoff enthält, wird von der Mehrheit der Probanden als „süßer“ empfunden als eines, das blauen Farbstoff enthält. Und das, obwohl in Wahrheit das Getränkt mit dem blauen Farbstoff mehr Zucker enthält.

Dann das Spiel mit den Erwartungen. Wenn eine Weinflasche falsch bepreist ist, wird dem Wein üblicherweise eine höhere Qualität zugewiesen, wenn der Preis z.B. doppelt so hoch ausgewiesen wird wie er tatsächlich ist.

Oder nehmen wir den Bereich Geruch. Der Autor verweist darauf, dass Pepsi verkapselte Aromen verwendet. Wenn das erste Mal der Deckel von einer entsprechend behandelten Flasche abgeschraubt wird, wird die Geruchskapsel aufgebrochen und verströmt ihr Aroma. Das wird dann vom Kunden üblicherweise dem Getränk zugeordnet – stammt aber aus besagter Geruchskapsel. Das ist natürlich auch der Grund dafür, dass beim späteren Öffnen der Flasche der Effekt weitgehend verbraucht ist.

Auf diesen Effekt sollen auch einige andere Anbieter setzen. Beispiel Kaffee – nach dem Öffnen der Packung riechen sie manchmal nicht den Kaffee selbst, sondern eine Aromakapsel. Probieren Sie es einmal aus, ob derselbe Geruch auch beim dritten Öffnen noch da ist. Wenn nicht, war es vielleicht eine Aromakapsel.

Achten Sie einmal beim Öffnen von Packungen darauf

Auch bei Eiscreme soll das verwendet werden – dann können die Aromen am perforierten Rand angebracht sein. Beim Aufreißen verströmen sie ihren Duft, der vom Konsumenten dann fälschlicherweise dem Produkt an sich zugeordnet wird.

Dies ist die Welt von Charles Spence, und er bringt die entsprechenden aktuellen Entwicklungen kenntnisreich und gut lesbar seinen Leser(inne)n nahe. Dabei geht es auch um Trends wie „Mukbang“, die bisher an mir vorbeigegangen sind. Bei Mukbang geht es darum, dass Menschen live streamen, wie sie eine Mahlzeit zu sich nehmen. Langweiliger geht es nicht? Finde ich auch. Aber offensichtlich gibt es – von Südkorea ausgehend – Millionen Betrachter solcher Videos. Oft genug sollen diese einsam vor dem Computer sitzen und sich dann beim Essen einer Mahlzeit solch ein Video anschauen. Ein neuer Trend – den ich auch als Zeichen von Vereinsamung sehe.

Ich persönlich finde diesen gesamten Themenkomplex Gastrophysik höchst „faszinierend“, wie Mr. Spock in den alten Star Trek Folgen so schön sagte. Jetzt sehe ich Aktien wie Symrise (seit Jahren auf meiner Watchlist, Hersteller von Duft- und Geschmackstoffen) mit einem besseren Verständnis ihres Geschäftsfeldes. Sofern Sie an der Thematik interessiert sind oder auch einfach nur einige Tipps in Bezug auf das Servieren von Mahlzeiten zu Hause haben möchten (von roten Tellern wird tendenziell weniger gegessen als von weißen…), dann kann ich Ihnen diese Neuerscheinung wärmstens empfehlen:

Gastrologik

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende!

Ihr

Michael Vaupel

Diplom-Volkswirt

P.S.: Vielleicht nützlich für Sie - eine kostenlose Leseprobe gibt es beim Verlag C.H. Beck unter diesem Link

Michael Vaupel

"Fairness, Respekt vor Mensch und Tier sowie der gewiefte Blick für clevere Investment-Chancen - das lässt sich meiner Ansicht nach sehr wohl vereinen. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir diese Ansicht gemeinsam vertreten werden - auch gegen den Mainstream."

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