Rezension: Greenland
Auf der gedanklichen Liste der Weltregionen, die ich gerne einmal besuchen würde, steht definitiv Grönland.
Wesentlich dazu beigetragen hat in meinem Fall die Lektüre des Buches Kollaps: Warum Gesellschaften überleben oder untergehen des von mir sehr geschätzten Autors Prof. Diamond.
Darin schildert der Autor anhand diverser Beispiele, wieso einstmals blühende Kulturen "irgendwann verschwanden". Er räumt damit auch gründlich auf vom Vorurteil der "edlen Wilden" - Beispiel Osterinsel: Bekannt für die großen Moai-Statuen, ist diese Insel auch ein Beispiel für das kurzsichtige Wirtschaften der Bewohner(innen), denn diese "schafften" es tatsächlich, die dortigen Wälder komplett zu roden und sich damit eine wichtige Lebensgrundlage zu zerstören.
Ein anderes untersuchtes Szenario ist das der Wikinger-Besiedelung von Grönland. Was machten die Wikinger richtig, was falsch - warum scheiterten sie letztlich? Wer solche Sachbücher liest, braucht keine Krimis...
Doch zu Grönland - beziehungsweise "Greenland", denn so heißt ein neues Spiel von Phil Eklund.
Phil ist ein bemerkenswerter Nord-Amerikaner, der mit seinem kleinen Verlag Sierra Madre Games auf anspruchsvolle historische Simulationen setzt. Sein Lebensweg ist ebenfalls interessant, so zog er nach Deutschland, lernte Deutsch, lebt in Baden-Württemberg. Ein offener Geist und eine interessante Persönlichkeit.
Hier einige der Karten, um einen Eindruck von der grafischen Gestaltung zu erhalten
Von seinem Spiel "Greenland" ist gerade (dank Kickstarter) die dritte Edition erschienen, die ich mir umgehend besorgt habe. Das Spiel kommt in einer relativ kleinen Packung (ca. 13*13*6 cm) daher, was mich zunächst etwas enttäuscht hat. So wenig Material? Da kann es mit der Komplexität wohl nicht besonders punkten...
Doch weit gefehlt. Es hat mich sehr beeindruckt, wieviel Komplexität und historisches Wissen in diesen kleinen Karton gepackt wurde - und das Ganze dann auch noch in Form eines anspruchsvollen Spiels! Ein bis vier Spieler(innen) könnten teilnehmen und jeweils ein Volk übernehmen...Nordmänner, Inuit, Dorset-Kultur, Samen...wobei Letztere in Wahrheit in Skandinavien blieben und nicht nach Grönland reisten.
Das Spiel simuliert pro Runde eine Generation.
Jede Runde ist wiederum in sechs Phasen eingeteilt:
- Ereignis
- Einsetzen von Jägern
- Verhandeln & Angriffe
- Auf die Jagd gehen
- Domestizierte Tiere
- Aktionen der Ältesten
Im Rahmen dieser Phasen gibt es jeweils zahlreiche Aktionsmöglichkeiten, die sich dann natürlich auf den weiteren Spielverlauf auswirken können. Eisbärenjagd, Migration in andere Teile Grönlands, Ankunft eines Nordmänner-Nachschub-Schiffs, Vieh oder Bräute rauben? Alles möglich, allerdings sind es oft genug Entscheidungen unter Unsicherheit. Das Gefühl, Siedler zu spielen, die bei Fehlentscheidungen vom Aussterben bedroht sind, kommt treffend rüber.
Das Spiel selbst ist in Englisch, die Karten kommen allerdings größtenteils mit einer guten Ikonographie rüber und es gibt auf der Seite des Verlags auch eine Übersetzung der Anleitung (ca. 22 Seiten lang, was die Komplexität des Spiels zeigt).
Erhältlich ist Greenland direkt beim Verlag von Phil Eklund für 44 US-Dollar.
Denjenigen, die es spielen werden, wünsche ich viel Vergnügen dabei!
Ihr
Michael Vaupel