Rezension: Scythe

Rezension: Scythe

Endlich ist ein Strategiespiel aus den USA - das mich sehr interessiert - auch auf Deutsch erschienen, bei Feuerland Spiele:

Scythe

Bei "Scythe" vom US-Verlag mit dem schönen Namen Stonemeier Games ist der Name Programm: Eine Sense ("scythe") ist - Zitat des Verlags:

sowohl ein Werkzeug in der Landwirtschaft als auch eine Kriegswaffe, so vereint sie perfekt die beiden Elemente dieses Spiels.

Ich mag thematisch dichte, anspruchsvolle Strategiespiele. Und das ist Scythe definitiv! Zum Thema:

Das Spiel ist in einer alternativen Welt der 1920er angesiedelt. Der Erste Weltkrieg ist vorüber, und große Gebiete Osteuropas sind gewissermaßen zum Niemandsland geworden. Es gab dort einen kapitalistischen Stadtstaat - hier nur "die Fabrik" genannt -, der den Krieg mit gepanzerten "Mechs" angeheizt hatte. Nun ist dort die Produktion stillgelegt und die angrenzenden Mächte "treffen auf einem kleinen, aber sehr begehrten Stück Land auf einander".

Das grob an das Europa der 1920er angelegte "Setting" in Scythe mit den 5 spielbaren Nationen und der "Fabrik" im Niemandsland. Quelle: Stonemeier Games

Es geht hier um keine klassische Konfliktsimulation (Kosim) mit zahlreichen Armee-Countern, die auf Achteckfeldern verschoben werden. Denn Scythe spielt in einer alternativen Welt. Natürlich erinnern die Namen der Beteiligten an reale Akteure der 1920er ("Rusviet Union", Republik Polonia...), doch geht es hier um lediglich eine(n) Anführer(in) pro Nation - jeweils mit einem Tier (!) - und bewaffneten "Mechs". Was sind nun diese Mechs, und wie werden die Anführer dargestellt? Das gefällt mir sehr gut: In Form von Miniaturen, je Nation unterschiedlich. Das Ganze sieht dann so aus:

Scythe

Eine Anführer-Miniatur sowie 4 "Mechs" pro Spieler(in). Quelle: Feuerland Spiele

Gespielt wird auf einer großen Landkarte mit achteckigen Feldern, wo jede(r) Spieler(in) im entsprechenden Heimatgebiet mit der Anführer-Figur sowie zwei Arbeitern in angrenzenden Gebieten beginnt. Dies zeigt schon, dass es sich hier gewiss um kein reines Kriegsspiel handelt. Dies ist nur ein Aspekt, und auch ohne jeglichen Kampf kann der Sieg errungen werden.

Das Spielziel zeigt, wohin die Reise gehen kann. Wer zuerst sechs Sterne platziert hat, beeendet das Spiel. Sofort! Solche Sterne (= kleine Holzmarker) können für diverse Dinge platziert werden. Natürlich, für siegreiche Kämpfe - dafür sind maximal zwei Sterne möglich. Aber auch für das Errichten aller eigenen Gebäude (schön gemachte kleine Holzgebäude), beim Erreichen eines hohen Ansehens (das in Punkten auf einer Skala gemessen wird), bei Anwerben aller Rekruten oder beim Ausführen von 6 Entwicklungen...es gibt viele Möglichkeiten, nicht zu vergessen die vor den anderen geheim gehaltene Auftragskarte...

Scythe: Der Spielablauf

Das finde ich schonmal ein sehr schönes Element. Dann der Rundenablauf: Jede(r) Spieler(in) erhält zu Beginn neben den nationenspezifischen Dingen auch ein zufällig ausgewähltes Aktionstableau. Die Aktionen auf diesen Tableaus sind alle gleich, doch Kosten und Nutzen der Nationen hängen davon ab, in welche Richtung dieses Tableau geht.

Ein Beispiel: Auf dem Tableau "landwirtschaftlich" ist das Rekrutieren von Bauern für die eigene Armee günstiger, da die Landwirtschaft effizient arbeitet und hohe Getreide-Überschüsse erzielt werden (eine Ressource im Spiel: Getreide). Hingegen ist es beim Tableau "industriell" günstiger, Mechs zu bauen (eine Ressource im Spiel: Metall). Und so weiter...

Reihum wählt jede(r) auf dem eigenen Tableau eine Aktionsmöglichkeit aus - die wiederum aus jeweils bis zu zwei Aktionen besteht. Da geht es um produzieren, aufrüsten, handeln, rekrutieren, bewegen...

A propos "bewegen": Auf bestimmten Spielfeldern liegen Begegnungsmarker aus. Erreicht die eigene Anführer-Figur ein solches Feld, wird eine Begegnungskarte gezogen. Hierbei möchte ich das für meinen Geschmack äußerst stimmige Artwork derselben betonen (großes Lob meinerseits an den Illustrator Jakub Rozalski, siehe z.B. die folgende Grafik, die den Anführer der Nordischen zeigt).

Hier ist ein minimales Rollenspiel-Element eingebaut, denn der jeweilige Anführer entscheidet, wie er/sie auf eine Situation reagiert. Der eigene Anführer trifft auf Bauern bei der Ernte? Man kann sich beliebt machen und helfen (höheres Ansehen), diese zwangsrekrutieren (weniger Ansehen, mehr Rekruten) oder die Ernte abkaufen (weniger Geld, mehr Getreide)....das nur als Beispiel.

Die Einstiegshürde ist relativ hoch, die Anleitung besteht aus insgesamt 31 Seiten (mit Regelhinweisen), ist für meinen Geschmack aber gut gegliedert und reichhaltig illustriert mit diversen Beispielen. Nach Lektüre derselben ist das Spiel selbst dann erstaunlich flüssig zu spielen. Es gibt diverse psychologische Elemente - so wird z.B. manchmal gar nicht gekämpft, weil Drohungen und Bluffs ausreichen...das liegt auch daran, dass die eigene Kampfstärke gegenüber dem Gegner teilweise geheim gehalten wird...

Ein Auszug aus der Anleitung, der die Karte darstellt und den Anfangsaufbau erläutert.

Für mich das bisher beste Spiel in diesem Jahr! Natürlich müssen Sie solche Strategiespiele grundsätzlich mögen - falls das der Fall ist, dann klares Daumen hoch meinerseits für:

Scythe

Ich wünsche Ihnen und Ihren Lieben ein angenehmes Wochenende!

Ihr

Michael Vaupel

Michael Vaupel

"Fairness, Respekt vor Mensch und Tier sowie der gewiefte Blick für clevere Investment-Chancen - das lässt sich meiner Ansicht nach sehr wohl vereinen. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir diese Ansicht gemeinsam vertreten werden - auch gegen den Mainstream."

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