Das neue Buch von Gregor Gysi
"Verfallen wir nicht in den Fehler, bei jedem Andersmeinenden entweder an seinem Verstand oder an seinem guten Willen zu zweifeln."
Dieses Zitat - vom Reichskanzler Otto von Bismarck - halte ich in Ehren, wenn es um politische Disikussionen und Politiker generell geht.
Das führt dazu, dass ich auch einen Politiker achten und interessant finden kann, dessen Ansichten ich gar nicht teile. Nämlich genau dann, wenn ich merke, dass er/sie auf die eigene Weise gradlinig das vertritt, was er oder sie eben für richtig hält.
Wieso ich diese Einleitung gewählt habe: Mit dem Politiker Gregor Gysi stimme ich inhaltlich in zahlreichen Punkten nicht überein. Ich habe ihn aber seit der Wiedervereinigung als aufrechten, rhethorisch begabten Politiker zu schätzen gelernt. Gerne ging ich deshalb zu Veranstaltungen mit ihm, auch und gerade während meiner Studienzeit in den 1990ern. Schön war´s.
Der Blick ins Inhaltsverzeichnis
Wer sich seitdem auch optisch kaum geändert hat, bin nicht ich, sondern er: Gregor Gysi. Noch immer höre ich gerne, was er zu sagen hat. Da das wegen räumlicher Entfernung nicht unbedingt leicht ist, habe ich mich deshalb dazu entschlossen, sein neuestes Buch zu lesen:
Gregor Gysi: Was Politiker nicht sagen
Der Autor räumt freimütig ein, dass ein guter Redner keineswegs auch ein guter Autor sein müsse. Er zieht dazu Analogien zu anderen Berufen/Talenten, bei denen es ähnlich ist.
Seine Schlussfolgerung:
So schreiben, dass es wie ein Gespräch wirkt.
Und in der Tat:
Ich hätte bei der Lektüre seines neuen Buchs gewissermaßen das Gefühl, dass mir Gregor Gysi bei einer Tasse Kaffee (oder einem Glas Bier) gegenübersitzt und gewitzt aus seinen Erfahrungen im politischen Berlin berichtet.
Das führt dazu, dass das Buch anekdotenreich ist und am schönsten ist es natürlich, wenn Gregor Gysi auch Namen nennt (was er leider oft genug nicht tut). Wenn Sätze aus dem Zusammenhang gerissen werden, vom politischen Gegner bewusst falsch interpretiert werden, um einen Skandal zu inszenieren...
Diese Vorgehensweise des Autors der anekdotenreichen Schilderung hat den Vorteil der sehr guten Lesbarkeit, zudem fühle ich mich als Leser sehr gut unterhalten.
Das hat den Nachteil einer gewissen "Plauderstimmung", bei der die Themenauswahl etwas beliebig wirkt. Ob nun "Glanz und Elend der Talkshows" auf "Aufmerksamkeit um jeden Preis?" folgt oder umgekehrt - für die inhaltliche Struktur des Buchs spielt es keine Rolle. Auch bleibt letztlich die Frage, die der Titel stellt ("Was Politiker nicht sagen") unbeantwortet.
Mein Fazit:
Insgesamt ist dieses Buch gewissermaßen eine verschriftliche Plauderstunde mit Gregor Gysi. Und was ich bei zahlreichen anderen Persönichkeiten als negativ bewertet hätte ("Plauderstunde"), ist bei einem so gekonnten Rhethoriker wie Gregor Gysi ein Kompliment. Ich bin froh, dass er sich die Zeit genommen hat, mit mir zu reden - wenn auch über den Umweg des Buches:
Gregor Gysi: Was Politiker nicht sagen
Eine kostenlose Leseprobe in Form einer PDF-Datei finden Sie bei Interesse unter diesem Link.
Mit herzlichem Gruß!
Ihr
Michael Vaupel
Diplom-Volkswirt / M.A.