Der Zen Trader

Der Zen Trader

Ich habe einen Freund, der auch fleißig am Aktienmarkt investiert - und wir fachsimpeln äußerst gerne. Auch und besonders deshalb, weil sein Horizont ein weites Feld von Themen umfasst, von Fotographie bis hin zu asiatischer Philosophie. So reiste er neulich wiederholt einige Monate durch Asien.

Sinngemäß meinte er einmal zu mir: Mir ist aufgefallen, dass du bei schlecht laufenden Positionen eine unglaubliche Gelassenheit ausstrahlst. Ich werde da nervös und verkaufe lieber schnell mit Verlust.

Das ist natürlich eine völlig legitime Strategie - Aktien zu Höchstkursen kaufen, solange der Aufwärtstrend intakt ist. Und dann schnell verkaufen (via engem Stoppkurs), wenn der Aufwärtstrend kippt. Ansonsten den Stoppkurs mit steigenden Kursen nach oben nachziehen.

Ich selbst habe für mich eher die Strategie, nach unterbewerteten Perlen zu suchen - die gleichzeitig "Wohlfühl-Aktien" gemäß meiner Definition sein sollten.

  • Wenn ich eine solche Aktie im Depot habe und deren Kurs dann unter meinen Einstandskurs fällt, prüfe ich kritisch die fundamentale Lage. Hat sich diese geändert? Besteht dann Notwendigkeit, meine Einschätzung zu ändern?
  • Wenn ich merke, dass sich die fundamentale Lage des Unternehmens drastisch verschlechtert hat und der innere Wert der Aktie nun unter dem Aktienkurs liegt, dann verkaufe ich normalerweise. Und dann auch ohne mit der Wimper zu zucken mit Verlust.
  • Aber wenn die Gründe, die für meinen Kauf der Aktie sprachen, noch intakt sind - warum sollte ich dann verkaufen, nur weil die Aktie günstiger geworden ist? Da ticke ich wie Warren Buffett. Im Zweifel stocke ich dann lieber auf und verbillige den Einstandskurs.
  • Und dann heißt es warten. Irgendwann wird sich der Aktienkurs schon dem inneren Wert wieder nähern. Gewiss, manchmal habe ich Jahre gewartet. Aber die Geduld zahlte sich oft genug aus und dann hohen prozentualen Gewinnen.

Eine Trefferquote von 100% gibt es ohnehin nicht. Einige der oben genannten Verlustverkäufe, die sich immerhin steuerlich verwerten lassen. Und dann mehrere solcher Langfrist-Positionen, die ich günstig einsammle und deren Kurs irgendwann erheblich steigen wird. Üblicherweise schaue ich, dass es auch eine zumindest kleine Dividende gibt, damit zumindest "e bissje wat" auch zwischendrin auf dem Konto gutgeschrieben wird.

Das kombiniert mit Wohlfühl-Aktien, über die ich mich gerne informiere und von denen ich auch auf die Hauptversammlungen eingeladen werde - läuft.

Und in der Tat, ich habe einiges zum Taoismus gelesen und daraufhin zumindest in der Geldanlage eine gewisse Gleichmut entwickelt. Die Dinge akzeptieren, wie sie sind....

...versuchen, das Ego zurückzudrängen. Wenn ich eine Aktie mit Verlust verkaufe, macht mich das zu keinem schlechteren Menschen. Vielleicht lag ich bei der Einschätzung der Aktie falsch, vielleicht haben sich die Umstände unvorsehbar geändert...

...hier versuche ich, ehrlich einzuschätzen, was der Fall war. Auch im positiven Fall. Gewiss, Gewinne schreiben wir gerne unserer klasse Einschätzungsfähigkeit zu. Bei Verlusten waren es dann "unvorhersehbare Umstände", aber "eigentlich hatte ich ja Recht".

Besser ehrlich schauen, ob die "unvorhersehbaren Umstände" auch im Gewinnfall der eigentliche Kurstreiber waren. Und vielleicht war eine schwache Analyse bei der Verlustposition der Grund.

Neulich las ich ein neues Buch, welches erfreulicherweise diese Themen aufgriff: Der Zen Trader. Es ging da um das, was neudeutsch als das "Mindset" bezeichnet wird - und zwar im Hinblick auf das Traden.

Der Autor Peter Castle tradet laut eigenen Aussagen seit über 30 Jahren - und er ist gleichzeitig ordinierter Zen-Priester und lässt dies in seinen Trading-Alltag einfließen, so entnahm ich der Beschreibung des Buches. Da war mein Interesse geweckt.

Hier zunächst...

...einige Hintergrundinformationen zum Autoren

Quelle: Verlagsangaben

Der Untertitel des Buchs bringt den Inhalt passend auf den Punkt: "Wie alte Weisheiten Ihren Geist und Ihr Portfolio ins Gleichgewicht bringen".

Gut gefallen hat mir hier, dass der Zen-Buddhismus hier mit dem Trading verknüpft wird - eine meiner Ansicht nach höchst interessante Kombination.

Der Autor bezeichnet es zum Beispiel als wahrscheinlich, dass Trader Angst haben. Und sei es nur die Anst vor Verlust oder Angst, etwas zu verpassen. Er verweist hier auf die japanische Militärkultur des Bushido - mit ihrem Ausschalten der Todesangst. So könne auch ein Trader seine Angst "ausschalten".

An späterer Stelle im Buch widerspricht er sich da allerdings etwas - oder ich habe es nicht korrekt verstanden. Es gehe nicht darum, Dinge zu unterdrücken - sondern zu akzeptieren, wie sie sind. Das gelte auch für die Angst. Emotionserkennung sei auch beim Traden wichtig.

Übrigens sei diese Fähigkeit bei Frauen tendenziell besser ausgeprägt als bei Männern, so der Autor. Aus persönlicher Erfahrung kann ich das durchaus bestätigen. Das wäre dann übrigens ein Punkt, der laut Peter Castle dafür spricht, dass Frauen diesbezüglich einen Vorteil beim Traden hätten.

Eine zentrale Botschaft ist indes: Unser Verstand ist ein großes Geschenk. Aber wenn wir einmal eine Entscheidung getroffen haben (gilt auch für den Kauf einer Aktie), dann sollten wir dem Verstand eine Ruhepause gönnen. Nicht alle paar Minuten nachschauen, wie sich die Position entwickelt, darüber nachdenken etc. - nein, besser dem Trade Zeit geben, sich zu entwickeln (ggf. mit einem Stoppkurs versehen). Und die Gedanken "abschalten". Da wiederum helfe die Meditation.

Denn eine der "schlimmsten Belastungen unseres Geistes ist seine Unfähigkeit, abzuschalten und auszuruhen".

Das merke ich leider auch bei mir selbst - und versuche, gegenzuhalten. Ich lerne da noch. Wie handhaben Sie das? Würde mich sehr interessieren. Wenn Sie möchten, schreiben Sie mir gerne unter redaktion@ethische-rendite.de

Mein Fazit:

Dieses Buch verbindet fernöstliche Weisheiten mit dem Trading, was ich grundsätzlich klasse finde. Allerdings hätten die Kernbotschaften meiner Ansicht nach auf erheblich weniger Seiten gepasst. Zudem gefällt mir der Trading-Stil des Autoren grundsätzlich nicht besonders gut. Nichtsdestotroz finden sich einige Tipps, die helfen können, als Trader/Investor zu persönlichem Seelenfriedenzu gelangen.

Peter Castle: Der Zen Trader

Eine kostenlose Leseprobe in Form einer PDF-Datei finden Sie bei Interesse unter diesem Link.

(Anmerkung: Ich habe die 1. Auflage des Buches von 2023 gelesen)

Mit herzlichem Gruß!

Ihr

Michael Vaupel

Diplom-Volkswirt / M.A.

Michael Vaupel

"Fairness, Respekt vor Mensch und Tier sowie der gewiefte Blick für clevere Investment-Chancen - das lässt sich meiner Ansicht nach sehr wohl vereinen. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir diese Ansicht gemeinsam vertreten werden - auch gegen den Mainstream."

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