Erster Weltkrieg
Die Oster-Pause nutze ich u.a. dazu, mich im Hinblick auf Neuerscheinungen zum Thema „Erster Weltkrieg“ auf dem Laufenden zu halten.
Und da fiel mir insbesondere die Neuerscheinung „Auf Messers Schneide. Wie das Deutsche Reich den Ersten Weltkrieg verlor“ von Prof. Holger Afflerbach auf, vor wenigen Wochen erschienen und von mir umgehend gelesen. Die These, die der Autor vertritt, lässt sich in etwa so zusammenfassen:
Nach dem Scheitern des Schlieffen-Plans war ein deutscher Sieg sehr unwahrscheinlich geworden. Doch der Autor tritt gegen das binäre Denken „Sieg oder Niederlage“ an. Auch wenn ein Sieg kaum noch möglich war, so hätte doch noch eine Niederlage wie die von 1918 vermieden werden können. Ein „Unentschieden“ wäre sogar der nach Ansicht des Autors wahrscheinliche Ausgang gewesen (Stand Ende 1914). Doch neben Fehlern der deutschen Seite waren es auch die „eigenen imperialistischen Pläne“ der Entente Cordiale, die einen Verständigungsfrieden (= „Unentschieden“) verhinderten.
Ein interessanter Denkansatz, der im vorliegenden Buch konsequent durchgezogen wird. Für mich einige Male Seufzer der Art „hätte doch…“ erzeugend. Ja, was wäre der Welt möglicherweise erspart geblieben, wenn es 1915, 1916 oder 1917 einen Verständigungsfrieden im Sinne eines „Unentschieden“ gegeben hätte.
Der Autor verwendet in erster Linie Sekundärliteratur als Quellen. Aber in der Einleitung wurde auch angekündigt, dass das Buch auch Tagebuchfragmente von Moritz Freiherr von Lyncker auswertete. Da horchte ich auf, denn dieser Chef des Kaiserlichen Militärkabinetts gehörte laut Afflerbach „zur engsten Umgebung des Kaisers“.
Letztlich aber fand ich nicht, dass die Auswertung dieser Quellen (sofern ich das bei der Lektüre erkennen konnte) zu bahnbrechenden neuen Erkenntnissen führte. Generell finde ich das Buch zu sehr auf Deutschland fixiert, denn wenn es um die Wahrscheinlichkeit eines „Unentschieden“-Friedens ging, sollten doch auch die Westmächte und Russland bzw. später die USA genauer betrachtet werden. Aber das hätte dann wiederum den Umfang des Buches gesprengt. Die Schilderung ist chronologisch, was sehr passend ist, aber für diejenigen, die sich mit der Geschichte des Ersten Weltkriegs auskennen, einige Male zu einem „eh scho´ wissen“ führen könnten. Und schade, das das Buch kaum Karten enthält. Per saldo eine lesenswerte Neuerscheinung zum Thema Erster Weltkrieg:
Holger Afflerbach: Auf Messers Schneide. Wie das Deutsche Reich den Ersten Weltkrieg verlor
Dann befasst sich in der Reihe „GEO Epoche Kollektion“ (darin soll „das Beste aus GEO Epoche“ zusammengefasst werden) die neue Ausgabe ebenfalls mit dem Thema Erster Weltkrieg. Auch diese Ausgabe habe ich gelesen bzw. bin beim letzten Drittel.
Die Ausgabe der GEO Epoche Kollektion sind üblicherweise so aufgebaut, dass es dort ca. 20 kurze und knackige Beiträge zu diversen Aspekten des jeweiligen Themas gibt. So ist das auch hier: Von der „Front in den Tropen“ über „Die Kunst und der Krieg“ sowie „Lawrence von Arabien“ bis hin zum „gescheiterten Frieden“.
Oft genug sind dabei einige interessante Aspekte dabei, die sonst bei dem Thema nicht im Rampenlicht stehen – dafür aber auch natürlich einiges an „Standard“, Beispiel Attentat auf den österreichischen Thronfolger oder Vorgeschichte des Ersten Weltkriegs. Und die Stärke der jeweiligen Beiträge steht und fällt natürlich mit der Qualität des jeweiligen Autors, worunter einige wenige Beiträge mich nicht so überzeugten wie der von Christopher Clark.
Die große Stärke des Heftes sind für mich neben den Beiträgen über Nischen-Themen (Angriff auf Gallipoli z.B.) die Illustrationen. Es geht los mit 16 Seiten voller Illustrationen. Darunter auch einige in Farbe, was damals mittels Autochron-Verfahren in erstaunlich hoher Auflösung möglich war. Diesen Einstieg in das Heft finde ich äußerst stimmig und thematisch sehr gelungen. Ein Autochron-Bild von französischen Soldaten im Schützengraben…einem orthodoxen Popen in einem russischen Kriegslazarett und besonders das Bild eines namenlosen deutschen MG-Schützen entfalten große Wirkung auf mich. Manchmal sagen Bilder dann eben doch mehr als 1.000 Worte.
Insofern: Ein ganz anderer Ansatz als das oben genannte Buch, das sich auf über 600 Seiten mit wenigen Illustrationen eine Fragestellung vorknöpft. Bei GEO Epoche Kollektion: Erster Weltkrieg sind die einzelnen Beiträge recht kurz (jeweils wenige Seiten), dafür wirken die Illustrationen und es ist für einen Überblick zum Thema Erster Weltkrieg definitiv empfehlenswert.
Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie ein angenehmes Wochenende.
Michael Vaupel
Magister Artium (Neuere und Neueste Geschichte)