
Harari: Nexus
Was für ein Buch!
Ich beginne mit einem Gedanken aus dem Buch zum Thema "KI" = Künstliche Intelligenz. Es werde - so der Autor - viel darüber diskutiert, wann KI nun "menschliche Intelligenz" erreichen werde. Als ob dies der Maßstab sei.
Doch das sei "so, als würde man Flugzeuge anhand des Vogelflugs definieren und bewerten".
Ich habe das neue Buch von Yuval Harari gerade "verschlungen". Auf diesen Autoren bin ich 2019 nach der Lektüre seines Bestsellers "21 Lektionen für das 21. Jahrhundert" aufmerksam geworden (hier meine Rezension dazu).
Es ist nicht nur das Wissen, das er mit seinen Büchern vermittelt. Sondern es sind auch die Fragen, die er aufbringt - und auf die es teilweise noch gar keine Antworten gibt. Die aber bestimmte Themen ins Bewusstsein rücken und zum Nachdenken anregen.
So auch diesmal: Denn in seinem neuen Buch "Nexus" geht es grob gesagt um das Thema Künstliche Intelligenz.
Da räumt Harari im 1. Teil des Buches erstmal gründlich auf mit dem seiner Ansicht nach "naiven" Glauben, dass mehr Information zu mehr Wahrheit führt.
Eine Verbreitung von mehr Wissen führe zu mehr Wahrheit und zu einer besseren Welt, so eine naive Ansicht - so der Autor.
Doch wenn das so wäre, hätte dann nicht z.B. der Buchdruck zu einer gewaltigen Verbreitung von Wissen und damit von Wahrheit beitragen müssen?
Er schildert allerdings ausführlich, wie der Wahnglaube an Hexen und folgende Hexenverbrennungen erst nach dem Buchdruck aufkamen: Gerade deshalb, weil der "Hexenhammer" gedruckt und verbreitet wurde. Vorher war das kein Thema,...
...das zeigt insofern, dass es für die Wahrheitsfindung nicht zwangsläufig positiv ist, wenn "Hindernisse für den Informationsfluss beseitigt werden"!
Harari schafft es erneut, auf diesmal gut 500 Seiten Text die interessierten Leser zu fesseln. Mich zumindest! Denn das Gute: Er versteht es auch, seine Thesen mit anschaulichen Beispielen aus Geschichte und Gegenwart zu unterlegen.
Da zeigt sich, dass er eben von Hause aus Historiker ist. Das hat den Vorteil, dass er z.B. beim Thema menschliche Netzwerke tief in die Geschichte zurückgeht und beispielsweise das Thema Kanonisierung des Alten Testaments ausführlich behandelt. Nun gut, dieser Teil war vielleicht einen Tick zu ausführlich.
Kernstück des Buchs sind aber ohnehin eher der 2. und 3. Teil, finde ich. Denn da geht es ans Eingemachte: Wie ist der Stand zum Thema "Künstliche Intellgenz" und wo könnte die Reise hingehen?
Dabei streift der Autor zig Theman, darunter auch Wahlen. Da vertritt er (wie übrigens auch Norbert Lammert, wenn ich mich richtig erinnere) die Ansicht, dass Wahlen nicht das ermitteln sollen, was wahr ist - sondern das, was die Mehrheit will. Das können zwei Paar Schuhe sein...
Wichtig ist ihm dabei, dass es in einer Demokratie Mechanismen zur Selbstkorrektur gibt. Denn nur alle 4 Jahren wählen, das reicht für ihn nicht in einer richtigen Demokratie. Auch ein interessanter Gedanke.
Harari nennt zig Punkte, bei denen KI gefährlich werden könnte.
Was mich dabei aufhorchen ließ: Der Hinweis auf die Gefahr, dass wir Künstliche Intelligenz als gefahrlos abtun, da diese ja kein Bewusstsein habe. Nach dem Motto: Ohne Bewusstsein werden sich die Netzwerke oder Roboter schon nicht "zusammenrotten", um die Menschen anzugreifen.
Aber Intelligenz und Bewusstsein sind zwei völlig unterschiedliche Dinge, so Harari. Bewusstsein sei für Künstliche Intelligenz nicht notwendig.
Und gerade selbstlernende KI könne gefährlich werden - weil gar nicht klar sei, wie sie vorgeht.
Er nennt ein einfaches Beispiel: Noch scheitern KIs zum Beispiel an einem Captcha-Test beim Aufruf einer Webseite.
Doch eine KI - die den Auftrag hatte, dafür eine Lösung zu finden - ging dann so vor: Sie/es ging auf eine Internetseite, auf der Dienstleistungen angeboten werden, und fragte um Hilfe. Die KI gab an, eine Sehschwäche zu haben und ein Mensch zu sein - und sie fand Hilfe und jemand löste das Captcha-Rätsel für sie.
Die KI war keineswegs programmiert worden, so vorzugehen. Und genau das ist es, wovor Harari warnt.
Genau, warnt: In seinem Buch sind mehrere Punkte, die nachdenklich und vorsichtig werden lassen. Vielleicht ist das zu negativ, vielleicht nicht. Wer bin ich als interessierter Laie, das entscheiden zu können?
Die Thesen Hararis haben mich jedenfalls - wieder einmal - nachdenklich gemacht. Und ich versuche mich in der Thematik weiter zu informieren.
Und wenn ein Buch das geschafft hat, dann finde ich das klasse.
Insofern meirneseits ein klares Daumen hoch für:
Yuval Noah Harari: Nexus
Eine kostenlose Leseprobe finden Sie bei Interesse unter diesem Link.
Angenehme Lektüre!
Ihr
Michael Vaupel
Diplom-Volkswirt / M.A.