Joseph Roth: Pariser Nächte
Es steht geschrieben – nämlich hier in meinem „Blog“, Datum 11. März 2015, ich zitiere mich selbst:
Joseph Roth – einer meiner Lieblingsautoren. Kritisch, ironisch, und – wichtig – ein sehr guter Beobachter von Details und ein famoser Erzähler. Dazu teilweise kombiniert mit Trübsinn und Resignation (er hat sich später in Paris zu Tode gesoffen).
Das ist immer noch meine Ansicht. Damals besprach ich eine Neuerscheinung (Joseph Roth: „Reisen in die Ukraine und nach Russland“).
Und inzwischen gibt es beim renommierten C.H. Beck Verlag wieder eine Neuerscheinung von Joseph Roth:
Pariser Nächte: Feuilletons und Briefe
Der Herausgeber Jan Bürger hat dort Roths gesammelte Paris-Feuilletons – und zuvor unveröffentlichte Briefe – zusammengefasst. Joseph Roth befand sich seit 1925 zunehmend in Paris, wo er dann auch 1939 starb. Roth hatte selbst einmal geschrieben, dass es eine große Vermessenheit sei, Städte beschreiben zu wollen (S. 140 im Buch). Insofern ist die Neuerscheinung auch kein Buch mit einem zusammenhängenden Text – sondern eine Zusammenstellung höchst unterschiedlicher Texte von Joseph Roth mit Paris-Bezug.
Was ich von dieser Neuerscheinung halte:
Joseph Roth zeigt mir mit seinen Feuilleton-Texten (in erster Linie für die „Frankfurter Zeitung“ geschrieben“), dass er nicht nur ein großartiger Romancier, sondern auch ein guter Journalist ist. Wie er es schafft, mit einem Blick für Details durch die Stadt zu gehen, finde ich großartig.
Ein Beispiel dafür ist seine Beschreibung eines Gesprächs mit dem 8jährigen Sohn eines deutschsprachigen Emigranten in Paris. Wie klar dieses Kind die eigene Situation erkennt – während der Vater sich etwas vormacht. Oder die Beschreibung der sogenannten „kleinen Leute“, zum Beispiel in einer kleinen Bar kurz nach Mitternacht. Diesen Abschnitt aus dem Buch möchte ich dazu zitieren, damit Sie einen Eindruck vom Stil Roths erhalten:
Ein alter Droschkenkutscher, der auf Taxi-Fahrer umgestiegen ist, sinniert:
„Jedes Pferd hat gezögert, wenn ein Mensch über die Straße gefahren kam. Mein Taxi zögert nicht. Meine Pferde hatten Gewissen. Mein Motor hat die Genehmigung. So sehe ich den Unterschied, in allen Dingen. Zu meinen Zeiten, als ich noch Kutscher war, hatte sogar ein Diplomat Gewissen. Heute, da ich Chauffeur bin, hat sogar ein Abgeordneter nichts mehr als Befugnisse.“
(…)
So beendete er seine Rede – und alle lachten. Denn sie hielten ihn für angetrunken, und er war es auch. Und es entspricht außerdem den Menschen dieser Zeit, dass sie, die selbst trunken sind, aus der Tatsache, dass ein Trunkener diese Wahrheit sagt, die Hoffnung schöpfen, er irre nur.
Das Buch enthält aber auch bisher unveröffentlichte Briefe. Diese wiederum haben mir nicht zugesagt. Wenn Roth sich z.B. beim Feuilleton-Chef der Frankfurter Zeitung über dies und das beklagt und Namen von Kollegen hin- und her schwirren, dann sind das Interna, die für mich als heutigen Leser kaum von Belang sind. Auch zeigt Roth hier, dass er durchaus „gemein“ sein kann. Aber wer sagt denn, dass ein guter Schreibstil auch Zeichen für einen gutmütigen Charakter ist?
Insgesamt einige sehr schöne Texte und einige für mich überflüssige Briefe von Joseph Roth in:
Pariser Nächste: Feuilletons und Briefe
Schönen Feierabend!
Ihr
Michael Vaupel
Diplom-Volkswirt