Re-Invigorating Ubuntu through Water
Ich bin mal wieder im südlichen Afrika unterwegs.
Neulich kam ich mit einem Bettler ins Gespräch.
Als er mich um eine kleine "Spende" bat, holte ich ein Stück Trockenfleisch aus dem Einkaufsbeutel (Geld gebe ich grundsätzlich nicht) und gab es ihm.
Ohne nachzudenken halbierte er das Stück und gab mir die Hälfte zurück, während er die andere Hälfte aß und sich bedankte und wir unterhielten uns weiter, während ich die andere Hälfte aß.
Das war für mich eine Lektion in "Ubuntu". Ubuntu? Es handelt sich um ein ethisches Konzept, das im südlichen und östlichen Afrika verbreitet ist.
Wie das definiert wird? Laut Wikipedia mit "Menschlichkeit", "Nächstenliebe", "Gemeinsinn" (siehe Wikipedia-Eintrag zu Ubuntu).
Oder, wie es der von mir sehr geschätzte Desmond Tutu (er ruhe in Frieden) ausdrückt: "I am because you are - we are all one".
Das steht natürlich im gewissen Gegensatz zur Ellbogengesellschaft, die wir in Mitteleuropa kennen. Da hätte der Bettler auch gewiss das ganze Stück Trockenfleisch behalten.
Das Ubuntu Konzept finde ich grundsätzlich klasse. Ich finde, dieses afrikanische Konzept ist eine echte Bereicherung für die Menschheit.
Da ich aktuell versuche, ein Projekt "Anlegen von Gemüsegärten für Obdachlose mit Wasser einer Entsalzungsanlage" in Swakopmund/Namibia durchzuführen, wurde ich hierauf aufmerksam:
Der namibische Wissenschaftler Dr. Njodi Ndeunyema (gleich drei Master-Abschlüsse der University of Oxford) veröffentlichte diesen Monat ein Buch mit dem Titel:
"Re-Invigorating Ubuntu through Water".
Sinngemäß übersetzt also "Neubelebung von Ubuntu durch Wasser".
Der Autor präsentierte sein neues Buch auch an der University of Namibia (UNAM)
Ubuntu und Wasser - kein Wunder, dass ich mir das Buch umgehend besorgt und gelesen habe. Hier meine Anmerkungen dazu:
Das Buch fokussiert sich auf die Durchführbarkeit eines verfassungsrechtlichen Menschenrechts auf Wasser an namibischen Gerichten.
Der Autor erhebt den Anspruch, in seinem Buch Lösungs-orientiert zu sein. Es soll darum gehen, "dignity to all" (Würde für alle) zu bringen.
Ndeunyema leitet in seinem Buch einen Anspruch auf Wasser als Menschenrecht her. Das geschieht teilweise indirekt, weil das Recht auf Leben und Würde seiner Ansicht nach das Recht auf Wasser mit beinhaltet.
Da es sich um eine Fachpublikation handelt, ist dies stellenweise ein rein juristischer Text mit vielen Quellenangaben, die manchmal die Hälfte der jeweiligen Seite ausmachen.
Das hemmt leider den Lesefluss und für Nicht-Juristen (wie mich) sind Verweise auf Urteile z.B. des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte aus dem Jahr 2008 nicht gerade brennend spannend, um es so auszudrücken.
Spannender wird es nach der Herleitung eines Rechtsanspruchs dann bei der Praxis - der Umsetzung.
In Staaten wie z.B. dem Kongo kann ein Menschenrecht auf Wasser noch so schön sein auf dem Papier. Doch wenn es keine praktische Umsetzung geben kann, weil z.B. der Staat in manchen Gegenden im Osten des Landes gar keine Macht hat, dann bringt das Betroffenen nicht viel.
Der Schwerpunkt des Buches liegt auf Namibia, da der Autor von dort stammt.
Dort ist der Staat durchaus durchsetzungsfähig. Aber auch da stellen sich durchaus komplizierte juristische Fragen.
Denn auch wenn sich ein Recht auf Wasser herleiten lässt - was heißt das in der Praxis? Geht es um Wassermengen, die zum reinen Überleben reichen? Oder ist für ein menschenwürdiges Leben (Stichwort Würde und Ubuntu) mehr Wasser notwendig, zum Beispiel für Körperpflege und Anlegen eines Gartens?
Und bedeutet Recht auf Wasser auch, dass Wasser bis in die eigene Unterkunft gelegt wird? Das ist in ländlichen Regionen oft noch die Ausnahme. Da gehen - insbesondere Frauen und Mädchen - oft genug über einen Kilometer weit, um sauberes Trinkwasser zu erhalten.
Und was ist mit denjenigen, die zwar einen Wasseranschluss bis ins eigene Haus haben - aber dann die Wasserrechnung nicht bezahlen. Darf diesen Personen vom örtlichen Wasserversorger dann der Wasserzugang ganz gekappt werden, weil sie nicht zahlen - obwohl es ein Recht auf Wasser gibt?
Letztlich ist das Buch für Juristen mit Blick über den eurozentristischen Tellerrand wahrscheinlich ein Leckerbissen. Denn der Autor hat eine große Bandbreite an untersuchten Rechtsgrundlagen, an einer Stelle kam auch das deutsche Grundgesetz vor.
Da ich aber (leider/zum Glück) kein Jurist bin, waren diese langen Passagen für mich indes weniger faszinierend als die Problemstellungen, die sich in der Realität ergeben.
Insgesamt deshalb aus meiner Sicht ein durchwachsenes Fazit für diese Neuerscheinung. Die Einschränkungen sprechen allerdings keineswegs gegen den Autor, sondern gegen meine fehlende juristische Expertise.
Ndjodi Ndeunyema: Re-Invigorating Ubuntu through Water
Mit freundlichem Gruß,
Ihr
Michael Vaupel
Diplom-Volkswirt / M.A.