Rezension: Narrative Wirtschaft
Einen interessanten Ansatz verfolgt der bekannte Wirtschaftswissenschaftler Robert J. Schiller in seinem neuen Buch Narrative Wirtschaft
Dort untersucht er, wie "Geschichten die Wirtschaft beeinflussen". Er zieht eine Analogie zur Epidemiologie von Krankheiten, wobei sich der Vergleich zur aktuellen Pandemie anbietet (das Buch ist indes bereits 2019 verfasst worden).
So vergleicht er das Auftreten von Epidemien bei Viren mit dem Auftreten von Epidemien bei Narrativen.
So wie "Reservoirs alter Epidemien mutieren" und dann wieder auftreten, so kann dies auch bei Narrativen der Fall sein.
Solche Vergleiche sind natürlich üblicherweise so faszinierend wie begrenzt anwendbar, denn 1 zu 1 übertragen lassen sie sich wohl kaum, jedenfalls in diesem Fall.
Doch damit hat der Autor die Leser/innen direkt ins Thema hineingezogen, denn er hat narrativ begonnen.
Der Autor Rober J. Shiller stellt fest, dass viele mathematisch orientierte Wirtschaftswissenschaftler den Einfluss von Narrativen auf Faktoren wie die Wirtschaftsentwicklung ignorieren. Das sei vielleicht nicht wissenschaftlich genug...
Doch Shiller (genau, auf sein Konzept geht der "S&P/Case-Shiller Home Price Index" zurück) ist da anderer Ansicht. Als Beispiel nennt er das Bitcoin-Narrativ. Er definiert ein wirtschaftliches Narrativ wie folgt, ich zitiere aus dem Buch:
Ein ökonomisches Narrativ ist eine ansteckende Story, die das Potenzial hat, den Prozess wirtschaftlicher Entscheidungen von Menschen zu verändern (...)
Beispiel Bitcoin-Narrativ: Da geht es um Storys von jungen, weltoffenen jungen Menschen, die im Kontrast stehen zu bornierten Bürokraten. Der Autor schildert, wie er manchmal vorgeht, wenn er auf Bitcoin-Begeisterte trifft: er bittet sie, grundlegende Konzepte zum Thema Bitcoin wie den Hash-Baum oder die Elliptische-Kurven-Kryptographie zu erläutern. "Tpyischerweise ist die Antwort ein ausdrucksloser Blick". Das ist für ein Beleg dafür, dass die Theorie beim Thema Bitcoin nicht entscheidend ist, sondern das Narrativ.
Hier kann es natürlich zu sich selbst erfüllenden Prophezeiungen kommen. Wenn die Masse der Anleger/innen denkt, dass die Aktienkurse bald steigen werden und deshalb kaufen, dann werden die Aktienkurse wirklich steigen - wegen dieser sich selbst erfüllenden Prophezeiung.
Dieser Ansatz gefällt mir und ist für mich auch nicht neu, schließlich fand ich den Ansatz des rein rationalen "Homo Oeconomicus" schon immer daneben und habe mich lieber an die Verhaltensökonomie gehalten. Dennoch habe ich mit dem Buch Narrative Wirtschaft so meine Schwierigkeiten.
Denn der grundlegende und nachvollziehbare Ansatz wird anhand von zig Beispielen erläutert. Das Buch hätte meiner Ansicht nach deutlich gewonnen, wenn es kurz und knackig wäre und nicht die Grundidee auf ca. 480 Seiten inklusive Anhang behandelt würde. Zumal der Autor hier zwar nicht gerade bei Adam und Eva beginnt, aber bei Themen wie dem Bimetallismus in den USA des 19. Jahrhunderts. Später geht es auch um Wahlkämpfe in den USA gegen Ende des 19. Jahrhunderts.
Das zeigt, dass das Buch für den US-Markt geschrieben ist. Doch das x-te Beispiel für ein ökonomisches Narrativ am Beispiel einer Aussage eines US-Präsidentschaftskandidaten führte bei mir dazu, dass ich manche Seiten überblätterte.
Insofern ein gemischtes Fazit meinrseits für:
Robert J. Schiller: Narrative Wirtschaft
Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Feierabend!
Ihr
Michael Vaupel
Diplom-Volkswirt / M.A.