Was ist eigentlich ein Goldstandard?

Was ist eigentlich ein Goldstandard?

Was ist das eigentlich, ein Gold-Standard?

Dazu bin ich in der komfortablen Lage, mich selbst zitieren zu können: Der folgende Text ist ein Auszug aus dem Buch "Die Geschichte(n) des Geldes", das ich zusammen mit meinem indischen Co-Autoren Vivek Kaul geschrieben habe. Los geht es:

Interessanterweise hatten der größte Teil der westlichen Welt und die britischen Kolonien (außer Indien) bis Ende der 1880er einen Goldstandard eingeführt. Anders als die monetären Systeme, welche darauf folgen würden, war das Systems des Goldstandards nicht von Regierungen designt worden. Es hatte sich selbstständig über Jahre hinweg entwickelt.

Jörg Guido Hülsmann charakterisierte diese Ära in seinem Buch „Die Ethik der Geldproduktion“ mit passenden Worten.

Der klassische Goldstandard dieser Zeit habe demnach – bis jetzt zum letzten Mal – gezeigt, wie ein weltweites monetäres System ohne politische Vorgaben entstehen konnte. Die Länder führten unabhängig voneinander jeweils Goldstandards ein. Es gab weder Verträge noch Konferenzen oder Verhandlungen zwischen den Staaten.

Ich möchte das „unabhängig voneinander“ relativieren. Die Einführung des Goldstandards in diversen Staaten wird wahrscheinlich durchaus davon beflügelt worden sein, dass die damals größte Handelsmacht der Welt – Großbritannien – auf den Goldstandard setzte.

Die inhärente Einfachheit des Systems ließ es funktionieren. Es war keine weltweite Organisation notwendig, um zum Funktionieren des Goldstandards beizutragen.

Alles, was notwendig war, war dies:

  1. Ein Land erklärte, dass sein Papiergeld je Einheit eine bestimmte Menge Gold wert sei.
  2. Das Land erklärte zudem, dass es bereit sei, zu jeder Menge sein Gold gegen Papiergeld einzutauschen. Und umgekehrt: Gegen Gold gab dieses Land die entsprechende Menge seines Papiergeldes.

Das war alles. Kein IWF, keine Zentralbanken, keine internationalen Konferenzen oder Kommissionen. Zwei klare Ansagen, die auch der oft genannte „Mann auf der Straße“ verstehen konnte.

Ein interessanter Aspekt dabei: Dieser Zeitraum des klassischen Goldstandards kam auch ohne Zentralbanken aus. So hatten die Vereinigten Staaten fast während dieses gesamten Zeitraums überhaupt keine Zentralbank. Die US-Notenbank – das „Federal Reserve System“ – wurde erst 1913 gegründet und nahm ihre Arbeit 1914 auf.

Spanische Goldmünzen

Trotz des Fehlens einer Zentralbank vor 1913 funktionierte das Land sehr gut.

Oder sollten wir an dieser Stelle statt des Wortes „trotz“ besser „wegen“ verwenden? Bilden Sie sich Ihre eigene Meinung dazu, wenn Sie mögen.

Was für einen Unterschied doch ein einziges Wort machen kann …

Was dem klassischen Goldstandard ebenfalls zugutekam, war die Tatsache, dass er selber zu einem Ausgleich von Ungleichgewichten führte. Wenn sich die Goldmenge plötzlich erhöhte – wie es manchmal vorkam, wenn zum Beispiel in Südafrika oder Australien neue Goldvorkommen gefunden wurden –, dann stieg das allgemeine Preisniveau.

Wenn das passierte, wurde es für Goldminen teurer, Gold zu produzieren, was im weiteren Verlauf die Goldförderung senkte. Denn die Einnahmen waren fix (Gold) – die Ausgaben stiegen. Eine niedrigere Goldproduktion wiederum bedeutete, dass die Geldmenge nicht mehr so stark stieg, woraufhin es wieder zu Preisstabilität kam.

Preisstabilität durch Goldstandard – und das alles ohne Zentralbanken und Offenmarktpolitik und Leitzinsanpassungen und sonstige geldpolitische Maßnahmen der heutigen Zeit.

Beispiel zur Funktionsweise des Goldstandards

Diese Ära des klassischen Goldstandards hatte eine weitere schöne Eigenschaft. Kein Land konnte lange über seine Verhältnisse leben.

Lassen Sie uns das anhand eines hypothetischen Beispiels von zwei Ländern näher betrachten, Deutschland und die Vereinigten Staaten.

Nehmen wir an, dass die Nachfrage nach deutschen Maschinen in den USA groß war. Die Nachfrage nach amerikanischen Gütern in Deutschland war allerdings nicht so groß. Deshalb waren die deutschen Exporte in die USA größer als die amerikanischen Exporte nach Deutschland.

Deutschland hatte also einen Handelsbilanzüberschuss gegenüber den USA. Und umgekehrt hatten die Vereinigten Staaten ein Handelsbilanzdefizit gegenüber Deutschland. Um das Defizit auszugleichen, mussten die USA mit Gold bezahlen. Und um in Gold bezahlen zu können, mussten die USA natürlich die benötigte Goldmenge besitzen.

Nehmen wir nun weiter an, dass die Nachfrage nach deutschen Gütern in den USA weiter anstieg und deshalb das amerikanische Handelsbilanzdefizit gegenüber Deutschland weiter wuchs. Um dieses Handelsbilanzdefizit auszugleichen, mussten die USA noch mehr Gold an Deutschland zahlen.

Wenn die Vereinigten Staaten immer mehr Gold an Deutschland zahlten, dann würden – keine Überraschung – die eigenen Goldreserven sinken. Um das Schrumpfen der eigenen Goldvorräte zumindest zu verlangsamen, mussten die USA entweder mehr nach Deutschland exportieren – oder die Importe von dort senken.

Das lag auf der Hand und führte zu dieser schönen Disziplinierung:

Die Importe eines Landes konnten seine Exporte nicht über einen längeren Zeitraum übersteigen.

Ganz einfach deshalb, weil das Land nicht genug Gold haben würde, um dafür zu zahlen. Das war etwas, das der Goldstandard sicherstellte. Massive Handelsbilanzdefizite, wie sie die USA in der Gegenwart seit vielen Jahren aufweisen, wären damals mit Goldstandard nicht möglich gewesen – Punkt.

Ein Beispiel für einen Goldbarren (der Verkaufserlös wurde laut Organistatoren für eine Stiftung zum Schutz von Nashörnern eingesetzt)

Die Frage ist nun, wie die Importe in einem solchen Fall begrenzt wurden. Es gibt hier zwei Punkte zu bedenken, die Theorie und die Praxis. Wie es der amerikanische Baseballspieler Yogi Berra auf den Punkt brachte:

Theoretisch gibt es keinen Unterschied zwischen Theorie und Praxis – in der Praxis allerdings schon.

Theoretisch war es so: Ein Land (in unserem Beispiel die USA) hatte ein Handelsbilanzdefizit. Es nutzt seine Papierwährung, um für die überschüssigen Importe zu bezahlen. Mit diesem Papiergeld konnten die Exporteure, die Güter an die USA verkauft hatten, in ihrer Heimat (in unserem Beispiel Deutschland) nichts anfangen.

Also wendeten sich diese deutschen Exporteure an die (Zentral-)Bank des Landes mit den überschüssigen Importen und tauschten dort das Papiergeld gegen Gold ein.

Dieses Gold tauschten sie dann wiederum gegen die Papierwährung ihres eigenen Landes – die Mark – ein.

Was hatte dies für Auswirkungen? Die Geldmenge erhöhte sich in dem Land, aus dem die Exporte kamen, also Deutschland. Und eine höhere Geldmenge würde dort die Preise tendenziell steigen lassen.

Im Gegenzug sank die Geldmenge in dem Land mit den hohen Importen = den Vereinigten Staaten. Denn Gold wurde abgezogen und verschwand aus dem Umlauf. Dadurch sank die Geldmenge und die Preise fielen tendenziell.

Da die Preise im Land mit den hohen Exporten = Deutschland stiegen, würden dessen Exporte tendenziell teurer und damit sinken.

Anders in den USA, dem Land mit den hohen Importen. Dort würden die sinkenden Preise die eigenen Waren auf dem Weltmarkt attraktiver machen – die Exporte würden tendenziell steigen. Die USA wären wegen der gesunkenen Preise im Inland auf dem internationalen Markt wettbewerbsfähiger geworden.

Die erhöhten Exporte würden das Handelsbilanzdefizit senken. Gleichzeitig würden die Exporte Deutschlands wegen des dortigen höheren Preisniveaus tendenziell sinken. Nun würde Gold in das Land mit dem vorigen Handelsbilanzdefizit fließen und hinaus aus dem Land mit dem vorigen Handelsbilanzüberschuss.

Im Endeffekt wäre wieder ein Gleichgewicht erreicht.

Für mich persönlich ist die Zeit vor 1914 insofern im Hinblick auf einige Aspekte - unter anderem den Goldstandard - durchaus die gute alte Zeit.

Hinweis: Das ist ein Auszug aus dem Buch "Die Geschichte(n) des Geldes", das ich zusammen mit meinem indischen Co-Autoren Vivek Kaul geschrieben habe.

Michael Vaupel

Michael Vaupel

"Fairness, Respekt vor Mensch und Tier sowie der gewiefte Blick für clevere Investment-Chancen - das lässt sich meiner Ansicht nach sehr wohl vereinen. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir diese Ansicht gemeinsam vertreten werden - auch gegen den Mainstream."

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