An den Ufern des Amur
Es gibt einige Dinge in meinem Leben, von denen ich bereut habe, sie nicht getan zu haben. Getreu dem Motto: Niemand bereut am Ende seines Lebens, zu wenig im Büro gewesen zu sein.
Stattdessen erinnere ich mich an einen guten Freund, der mich in den 1990ern fragte, ob ich mit ihm mit der Transsibirischen Eisenbahn bis an den Pazifik fahre. Damals lehnte ich aus mir inzwischen nicht mehr bekannten Gründen ab - und dachte des Öfteren, Mensch Vaupel, wärst du doch mal mitgefahren.
Sie können sich denken, dass ich das nicht erwähnen würde, wenn es dazu nicht einen aktuellen Bezug gibt. Gibt es. Im renommierten C.H. Beck Verlag ist ein Buch namens "An den Ufern des Amur" erschienen. Der Untertitel sagt, um was es geht: Die vergessene Welt zwischen China und Russland.
Und das ist die Region, die mich auch bei der Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn interessiert hätte. Der Amur ist ein Fluss, der östlich des Baikalsees entspricht und in den Pazifik mündet. Über Hunderte (Tausende?) Kilometer ist er der Grenzfluss zwischen Russland und China.
Und genau in dieser Region war der Autor Sören Urbansky auf Reisen und schildert diese in diesem Buch sehr gut lesbar. Erfreulicherweise liegt der Fokus nicht auf tourististischen Eindrücken, sondern es geht hier um mehr. Da zeigt sich, dass der Autor nicht ohne Grund Leiter des "Pacific Regional Office" des Deutschen Historischen Instituts Washington ist, wie der Verlag mitteilt.
Denn Urbansky schildert zum einen seine Erlebnisse und subjektiven Eindrücke - aber ordnet diese in einen größeren Kontext ein.
- Wie war das mit der russischen Kolonisation von Sibirien?
- Was für Rohstoff-Vorkommen gibt es da?
- Was für kulturelle Eigenheiten indigener Völkerschaften haben sich dort erhalten? Wie war das mit den sowjetisch-chinesisch Beziehungen?
- Und dann ist da ja noch die Mongolei...ein riesiges, sehr dünn besiedeltes Land...wie leben die Menschen dort eigentlich?
- Profitieren sie von den Rohstoff-Vorkommen - oder wer sonst?
Ein Teil der Reiseroute des Autors. Quelle: C.H. Beck Verlag
Ich fühlte mich beim Lesen des Buches an die Bücher von Peter Scholl-Latour (er ruhe in Frieden) erinnert - und das ist bei mir als Kompliment gemeint. Ähnlich wie "PSL" achtete Sören Urbansky darauf, interessante Gesprächspartner vor Ort zu treffen und von diesen Antworten auf gezielte Fragen zu erhalten. Natürlich kam ihm dabei zugute, dass er Russisch spricht.
Was mir sehr gut gefallen hat: Der Autor ist ein Historiker, der mit offenem Blick und historischem Hintergrundwissen diese aus meiner Sicht sehr interessante Weltregion bereist hat. Seine Schilderungen z.B. der Gesprächspartner sind so ausgezeichnet, dass ich manchmal das Gefühl hatte, z.B. eine Jurte in der Mongolei zu betreten, in welcher der Autor eine Familie besuchte. Beziehungsweise Pardon, "Ger" heißt eine solche Unterkunft bei den Mongolen, der Begriff "Jurte" ist indes bei uns gebräuchlicher.
Gleichzeitig hat Urbansky den Blick für große Zusammenhänge, sprich die geopolitische Lage, und liefert Hintergrundwissen zu historisch-kulturellen Aspekten.
Ich räume ein, dass ich befangen bin, weil mich diese Weltregion ohnehin interessiert. Jedenfalls habe ich das Buch verschlungen. Ich würde mir wünschen, dass Sören Urbansky weitere Bücher dieser Art verfasst - denn diese Reisereportagen eines Historikers finde ich höchst lesenswert:
Sören Urbansky: An den Ufern des Amur
Eine kostenlose Leseprobe in Form einer PDF-Datei finden Sie bei Interesse unter diesem Link
Angenehme Lektüre und viele Grüße,
Ihr
Michael Vaupel
Diplom-Volkswirt / M.A.