Der Bart des Elefanten
Dieses Buch ist genau das, was der Untertitel kommuniziert: Eine „biografischen Erzählung über das Leben des Berufsjägers Volker Grellmann“.
Als Leser haben wir hier stellenweise das Gefühl, mit Volker Grellmann gemütlich bei einem Kaffee oder Bier zusammenzusitzen und dem zu lauschen, was er Interessantes aus seinem Leben zu berichten hat. Leider geht das nicht mehr, da Volker Grellmann 2019 verstorben ist – er ruhe in Frieden.
Erfreulicherweise hat der Autor Wolfgang Brune genau das getan: Mit Volker Grellmann zusammengesessen und dessen Geschichten gelauscht. Da er dabei in Absprache ein Tonband mitlaufen ließ, konnte das Gesagte später verschriftlicht werden. Das ist der Grund dafür, dass diese Publikation gut lesbar ist und ein Gefühl der Nähe zum Porträtierten zu vermitteln.
Manchen mag es allerdings stören, dass dadurch auch einiges an Umgangssprache und so mancher Kraftausdruck in dem Buch verwendet werden. Letztlich trägt dies aber zur Authentizität bei und vermittelt einen Eindruck vom Charakter Volker Grellmanns.
Als jemand, der Volker Grellmann nie persönlich getroffen hat, aber einiges über ihn hörte, fand ich diese biografische Erzählung höchst interessant. Denn sie verknüpft die Biografie Grellmanns gewissermaßen nebenbei mit der Landesgeschichte Namibias bzw. des früheren Südwestafrikas. Politik, Naturschutz, Jagd, Ethnologie – alle diese Themenkomplexe werden gestreift.
Und das Buch macht deutlich, dass einige Dinge, die uns heute in Namibia so vertraut sind, keineswegs schon seit Langem bestehen. Konkret: Die heute so populären Jagd- und Gästefarmen gab es zu Beginn der 1960er Jahre eben noch nicht. Grellmann schildert, wie es für gestandene Südwester Farmer unvorstellbar war, dass Jäger aus Europa um die halbe Welt fliegen, um dann für teures Geld einen Kudu zu schießen.
Hier setzte Grellmann an: Mit seinem Unternehmen ANVO Hunting Safaris setzte er genau auf diese Zielgruppe der europäischen und nordamerikanischen Jäger. Er sammelte gleichgesinnte Farmer, denen das Wild auf ihren Farmen durchaus wichtig war und die für eine ethisch korrekte, nachhaltige Jagd zu gewinnen waren.
Hier spielte auch die Politik eine wichtige Rolle. Denn in den 1960ern gehörte das Wild dem Staat. Ein Farmer hatte deshalb kein wirtschaftliches Interesse an Wild auf seiner Farm – es konkurrierte schließlich mit den eigenen Rindern. So manch eine Farm soll beim Verkauf mit dem Attribut „wildfrei“ beworben worden sein, so Grellmann. Das wollte er ändern. Er setzte sich dafür ein, dass das Wild den Farmern zugeordnet wurde und diese einen Anteil erhielten, wenn Jagdtouristen es schossen. Gleichzeitig sollte nur so viel gejagt werden, dass die Bestände nicht gefährdet wurden. Gelebte Nachhaltigkeit Jahrzehnte vor „Fridays for Future“.
Zum Wohle der Wildbestände und letztlich des ganzen Landes war die Tatsache, dass Volker Grellmann ein ausgesprochener „Macher“ war. Neben seinem eigenen Unternehmen war er in zahlreichen Verbänden aktiv – oft als Gründungsmitglied, wie z.B. bei der wichtigen Namibian Professional Hunting Association (NAPHA) im Jahr 1974. Was in der biografischen Erzählung klar wird, ist sein Bemühen um ein gutes Verhältnis zu der indigenen Bevölkerung in den Regionen seiner Jagdkonzessionen.
Insbesondere sein Engagement für die San sticht dabei vorbildlich heraus. Erfreulicherweise aus Lesersicht schilderte Volker Grellmann in den Gesprächen mit dem Autoren Wolfgang Brune auch eigene Fehler und Probleme, die sich ihm stellten. Das führte zumindest beim Rezensenten zu tief empfundenem Respekt vor dem Lebenswerk Volker Grellmanns. Das gut lesbare Buch ist für an Jagd, Wildschutz und Landeskunde Interessierte ein Lektüre-Leckerbissen.
Abgerundet wird das rund 350seitige Buch mit mehreren – teils farbigen – Abbildungen. Neben Fotos finden sich da auch Karten und z.B. ein sehr interessanter Chart zur Entwicklung der Wildbestände in Namibia/Südwestafrika. Das Buch ist 2023 beim Kuiseb Verlag der Namibia Wissenschaftlichen Gesellschaft erschienen.
Mit herzlichem Gruß!
Ihr
Michael Vaupel
Diplom-Volkswirt / M.A.