Mein Bericht von der Bayer HV

Mein Bericht von der Bayer HV

Das war heftig: Die diesjährige ordentliche Hauptversammlung (HV) der Bayer AG, ich war vor Ort in Bonn. Doch der Reihe nach. Veranstaltungsort war das World Conference Center – ein interessanter Ort, siehe der Wikipedia-Eintrag dazu.

https://de.wikipedia.org/wiki/World_Conference_Center_Bonn

Hier mein Bericht für Sie:

Bereits die Anreise gestaltete sich angesichts diverser Demonstrationen und langer Warteschlange zur Geduldsprobe. Mir fiel auf, dass auch der Imkerbund vor Ort war und mit "Smokern" gegen Bayer protestierte, hier sei auf die Glyphosat-Thematik verwiesen. Das ließ mich als jemand, der einen Imkerkurs mitgemacht hat und gerne imkern würde, nicht kalt.

Wie das vorige Foto zeigt, gab es links eine lange Schlange von Aktionären – und rechts davon diverse Demonstrationen, abgetrennt von einer lockeren Polizei-Kette.

Es hallten zeitweise Sprechchöre über das Gelände. Interessanterweise standen sich die Demonstranten und die Aktionäre meinem Eindruck zufolge keineswegs feindselig gegenüber. Denn schließlich sind auch diverse Kleinaktionäre alles andere als glücklich mit der Übernahme von Monsanto durch Bayer.

Etwas irritiert war ich, als vom Dach des Veranstaltungsorts aus Fotographen einzelne Aktionäre und Demonstranten fokussierten und fotografierten, so zumindest meine Wahrnehmung:

Ich nahm mir etwas Zeit, mir die Plakate der Demonstranten anzuschauen und zuzuhören, was sie zu sagen hatten. Das war ein bunt gemischtes Völkchen. Neben Imkern, die sachliche Argumente gegen Pflanzengift von Bayer/Monsanto vorbrachten, gab es auch eher pauschalisierend-polemische Kritik an „denen, die nur auf Profit achten und Tausende sterben lassen“, so etwa sinngemäß ein Redner. Auch Schüler(innen) waren vor Ort, denn offenbar ging die Fridays for Future Demo in Bonn diesmal zur Bayer-HV. Es war also richtig was los!

Drinnen dann ein völlig überfüllter Veranstaltungsort - und das, obwohl das "World Conference Center" eigentlich ordentlich Platz bietet. Jeder Aktionär könnte sich eine Banane und eine Laugenstange zur morgendlichen Verpflegung abholen. Doch die meisten zog es direkt in den Versammlungssaal – schließlich begann die Veranstaltung pünktlich um 10:00 Uhr. Da ließ sich der Aufsichtsratsvorsitzende auch auf keine Verzögerung ein, obwohl zu dem Zeitpunkt noch eine lange Schlange von Aktionären vor dem Versammlungsgebäude auf Einlass wartete (die Abfertigung dauerte halt…)

Ich schätze, dass über 3.500 Aktionäre vor Ort waren.

Nach der Eröffnung der Veranstaltung durch den Vorsitzenden des Aufsichtsrats Werner Wenning übernahm der Vorstandsvorsitzende Werner Baumann das Wort.

Er wirkte ein wenig gequält, als er direkt zu Beginn seiner Rede auf die Themen zu sprechen kam, die wahrscheinlich die meisten Aktionäre interessierten. Er stellte zunächst einige Fragen in den Raum:

  • Ist die Strategie des Unternehmens solide und nachhaltig?
  • War der Erwerb von Monsanto der richtige Schritt für Bayer?
  • Hat der Vorstand dabei pflichtgemäß gehandelt und die Risiken von Glyphosat sorgfältig geprüft?
  • Wie bewerten Sie die Klagen wegen Glyphosat?
  • Wie ist Bayer für die Zukunft aufgestellt?
  • Wie übersetzt sich die Strategie ins operative Geschäft?
  • Und wann werden die Aktionäre davon profitieren?

Ich kann Herrn Baumann zugutehalten, dass seine Rede eine klare Struktur hatte – es ging darum, Antworten auf diese Frage zu geben.

Im Folgenden betonte Herr Baumann, dass der Erwerb von Monsanto lange vorbereitet worden war. Es habe auch zwei Gutachten zu den rechtlichen Risiken gegeben – beide Gutachten hätten demnach die Übernahme gerechtfertigt. Das wirkte für mich doch arg defensiv, nach dem Motto „sogar ein Gutachten hat das bestätigt“. Aber es geht hier eben nicht nur um die juristische Seite, sondern auch um die wirtschaftliche Bewertung. Und da fand ich die Aussage von Herrn Baummann, „darüber hinaus lohnt sich die Transaktion finanziell“ (= Übernahme von Monsanto!) doch arg an den Haaren herbeigezogen. Zur Erinnerung: Bayer legte für Monsanto rund 63 Mrd. Dollar auf den Tisch.

Inzwischen ist Bayer nach den Kursverlusten noch rund 57,4 Mrd. Euro wert – und das MIT Monsanto. Die Schuldenlast von Bayer ist erheblich gestiegen, schöne Geschäftsbereiche wurden verkauft bzw. sollen verkauft werden (ich verweise z.B. auf „Animal Health“).

Ich persönlich konnte bei Aussagen der Art „darüber hinaus lohnt sich die Transaktion finanziell“ nur den Kopf schütteln.

Von Selbstkritik war im Weiteren nichts zu hören. Man habe alles richtig gemacht, denn wenn die Zulassungsbehörden weltweit Glyphosat zugelassen haben, dann hat das schon seine Richtigkeit und man habe vielleicht „Gefühle“ unterschätzt, hieß es sinngemäß. Doch Bayer richte sich nach den Fakten und es sei eine „sehr gefährliche Entwicklung“, wenn man sich auf Entscheidungen von Behörden nicht mehr verlassen könnte. Denn so werde „die Glaubwürdigkeit unabhängiger Instanzen beschädigt – und damit letztlich auch die Vertrauensbasis für uns alle“.

Das war übrigens eine der wenigen Stellen, an denen es Applaus für Herrn Baumann gab. Den meinem Eindruck zufolge größten Applaus gab es in seiner Rede während des Danks an die Angestellten. Bezeichnend!

Wenig überraschend kam Herr Baumann zu dem Schluss, dass die Übernahme von Monsanto durch Bayer richtig war und ist. Das werde sich für die Aktionäre auszahlen, man sei auf dem richtigen Weg und man habe auch Rechtsgutachten eingeholt vor der Übernahme.

Die Generaldebatte

Es folgte das, was ich bei einer HV normalerweise am interessantesten finde: Die Generaldebatte! Die Aktionärinnen/Aktionäre stellen Fragen - Vorstand und/oder Aufsichtsrat antworten. Gelebte Aktionärs-Demokratie sozusagen.

Und es gab eine ganze Reihe von berechtigten Fragen und jede Menge Kritik. In der Praxis lief es so ab, dass erst mehrere Aktionäre Fragen stellten und dann der Vorstand die Fragen im Block beantwortete.

Es gab heftigen Gegenwind, insbesondere gegen den Bayer-Vorstandsvorsitzenden Werner Baumann. So fragte der Vertreter der "Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e. V.", wie lange sich Bayer-Aktionäre denn noch den Stahlhelm und die Teflon-Weste anziehen müssen. Wie schön formuliert, by the way. Wenn ich es richtig gehört habe, verwendete Herr Tüngler von der DSW auch einmal das Wort „Schande“. Er schlug vor, die Abstimmung über die Entlastung des Vorstands zu vertagen. Damit würde er dem Vorstand eine Brücke bauen, so Herr Tüngler – ob der Vorstand diese nutzen möchte, sei natürlich dessen Entscheidung.

Was mir auffiel: Anders als bei den meisten Hauptversammlungen, die ich kenne, ergriffen hier auch Vertreter von Investmentfonds das Wort und teilten in ihrer Kritik - aus meiner Sicht völlig berechtigt - kräftig aus. Von wegen "abnicken" der Vorschläge von Vorstand und Aufsichtsrat. Im Sinne einer gelebten Aktionärsdemokratie war das eine glanzvolle Veranstaltung.

Ich habe nicht mitgezählt, aber es waren glaube ich im Bereich 45 Wortmeldungen. Natürlich wiederholte sich da Einiges, weshalb ich auf eine Aufzählung verzichte. Wer mir neben Herrn Tüngler noch besonders positiv auffiel, war Christian Russau vom Dachverband der Kritischen Aktionäre e.V., ich zitiere aus seiner Rede:

„Es muss hier und heute mal wieder um Doppelmoral gehen. Ich hatte im Jahr 2016 eine Untersuchung der von BAYER in Brasilien zum Verkauf angebotenen Wirkstoffen in Pflanzenschutzmittel, wie BAYER sie nennt, vorgenommen. Die Kritischen Aktionär*innen wollten wissen, ob und welche Wirkstoffe BAYER in Brasilien vertreibt, die auf EU-Ebene laut EU-Pesticides-Database nicht zugelassen sind. Diese Untersuchung haben wir drei Jahre später wiederholt. Das Ergebnis: Die Zahl der von BAYER in Brasilien vertriebenen, aber auf EU-Ebene laut EU-Pesticides-Database nicht zugelassenen Wirkstoffe hat nicht ab-, sondern im Gegenteil zugenommen.

Von BAYER in Brasilien (2016) verkaufte Wirkstoffe, die auf EU-Ebene nicht zugelassen sind:

Carbendazim

Cyclanilid

Disulfoton

Ethiprole

Ethoxysulfuron

Ioxynil

Thidiazuron

Thiodicarb

Von BAYER in Brasilien (2019) verkaufte Wirkstoffe, die auf EU-Ebene nicht zugelassen sind:

Carbendazim

Cyclanilid

Ethiprole

Ethoxysulfuron

Fenamidone

Indaziflam

Ioxynil

Oxadiazon

Propineb

Thidiazuron

Thiodicarb

Thiram

Waren es im Jahr 2016 also noch acht Wirkstoffe, die BAYER in Brasilien verkauft, die aber auf EU-Ebene laut der EU-Pesticides-Database keine Zulassung haben, so waren es 2019 bereits zwölf Wirkstoffe, die in Brasilien vertrieben, aber laut der EU-Pestizid-Database nicht zugelassen sind. Dies entspricht einem satten Anstieg um 50 Prozent. Was also legal ist, so scheint es, kann auch gemacht werden.“

Quelle: Dachverband Kritische Aktionäre e.V., vollständige Rede unter diesem Link abrufbar.

Ansonsten war die Veranstaltung Psychologie pur: Es lag Spannung in der Luft, als auch Vertreter von Fonds die Nicht-Entlastung des Vorstands durchblicken ließen. Die Stimmung bei den Kleinaktionären tendierte im Verlauf der Veranstaltung ebenfalls zu "Nicht-Entlastung", so mein Eindruck (gemessen an Beifall und persönlichen Gesprächen)...

Gelebte Aktionärs-Demokratie, finde ich super! Jedenfalls besser als das übliche "abnicken" oder Übertragen von Stimmrechen an die Depotbank, die dann im Sinne von Vorstand und Aufsichtsrat stimmt...

Die Abstimmungen

Der Knaller war es natürlich, dass die Entlastung des Vorstandsvorsitzenden Baumann abgelehnt wurde. Nur 44,48% stimmten mit „JA“, aber 55,52% mit „NEIN“, siehe die obige Auflistung (Quelle: Bayer). Zugestimmt wurde dem Dividendenvorschlag von 2,80 Euro Ausschüttung je Aktie. Angesichts des aktuellen Aktienkurses eine durchaus attraktive Dividendenrendite.

Noch ein paar Anmerkungen zur kulinarischen Seite:

Ich bin gerne frühzeitig bei Hauptversammlungen, nehme mir einen Kaffee und gehe den Geschäftsbericht in gedruckter Form durch. Hier gab es keinen gedruckten Geschäftsbericht, und ohnehin gelangte ich diesmal wegen der langen Schlange und den Demonstrationen erst unmittelbar nach Veranstaltungsbeginn in den großen Saal. Zum Frühstück gab es eine Banane und eine Laugenbrezel. Übrigens alles per „Bon“ für die Aktionäre. Zum Mittagessen wurden dann Frikadellen (vegetarisch oder fleischlich), Bockwürstchen und Kartoffelsalat sowie Brötchen gereicht. Nachmittags dann konnte aus drei Sorten Blechkuchen gewählt werden – das war es. Kaffee und Tee sowie Wasser und Limo waren die ganze Zeit über frei (= ohne Bons) zugänglich.

Mein Fazit:

Ein Teil des Bayer-Geschäftsfeldes ist aus meiner Sicht klasse. Wenn im Bereich „Pharmaceuticals“ oder im Bereich „Animal Health“ daran geforscht wird, Medikamente gegen Krankheiten von Menschen und Tieren zu finden, finde ich das höchst anerkennenswert. Doch der Bereich Crop Science behagt mir überhaupt nicht. Voriges Jahr hatte ich mir übrigens zur Bayer-Hauptversammlung diese Zeilen notiert, ich zitiere mich selbst: „Doch ich sehe die Gefahr, dass Bayer mit dem Kauf von Monsanto auf die dunkle Seite der Macht wechselt. Von Seiten der Aktivisten habe ich auch noch ganz andere Vorwürfe gehört, die ich aber nicht verifizieren kann als Nicht-Naturwissenschaftlicher. Bayer jedenfalls sagt: Glyphosat ist weniger giftig als Backpulver oder Kochsalz. Nun, ich würde dennoch lieber Kochsalz in der Suppe verwenden.“

Und hier noch das Zitat zum Tag:

„Viele kleine Aktionäre, an vielen kleinen Orten, die viele Dinge tun, werden das Antlitz dieser Welt verändern."

- Von mir abgewandeltes afrikanisches Sprichwort

Mit freundlichem Gruß!

Ihr

Michael Vaupel

Diplom-Volkswirt

Mehr zum Thema bei Interesse in meiner kostenfreien, geschlossenen Facebook-Gruppe zum Thema Hauptversammlungen:

https://www.facebook.com/groups/hauptversammlung24/

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Michael Vaupel

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