Rezension: Eine Schatztruhe der frühen Meiji-Zeit

Rezension: Eine Schatztruhe der frühen Meiji-Zeit

Was für ein Lebensweg! Ein 14jähriges Bürschchen vom Land (Steiermark) geht 1867 nach Wien, um Fotografischer Gehilfe zu werden. Damals steckte die Fotografie gewissermaßen noch in den Kinderschuhen. Mit 16 Jahren reist er nach Ostasien, und zwar mit einer österreichisch-ungarischen Expedition ins japanische Kaiserreich.

Das ist eine sehr spannende Zeit in Japan, denn dort ist kurz zuvor das Shogunat abegeschafft und das Kaisserreich eingeführt worden. Das Land, das sich zuvor weitgehend abgeschottet hatte, öffnet sich nun - auch auf äußeren Druck - insbesondere den USA sowie den europäischen Mächten. Diese Epoche in der japanischen Geschichte nennt sich Meiji-Restauration (hier der Wikipedia-Eintrag dazu).

Als die österreichische Expedition wieder abreist, beschließt besagtes Bürschchen - Michael Moser -, in Japan zu bleiben. Als westlicher Ausländer, der kein Japanisch spricht und für den schon Hochdeutsch eine Art Fremdsprache ist.

Vom Shogunat zum Kaisserreich - hier seine Majesttät der damalige japanische Kaiser. Quelle: Wikipedia

Doch er schlägt sich formidabel durch, lernt schnell Japanisch und auch Englisch und macht sich als Fotograf selbständig. Später wird er als Dolmetscher der japanischen Regierung eingestellt und reist mit der japanischen Delegationen zu den Weltausstellungen nach Wien und später auch in die USA. Und das alles im 19. Jahrhundert - zu einer Zeit, als seine erste Reise nach Japan fast ein Jahr dauerte!

Die Zeit der Meiji-Restauration finde ich äußerst interessant. Denn da zeigte sich, wie sich eine durchaus entwickelte Gesellschaft innerhalb weniger Jahre dem Ausland öffnete - was positive und negative Folgen hatte, je nach Standpunkt.

Da ich vorigen Monat einen schönen Bildband über frühe Reisefotografie gelesen/betrachtet hatte (hier meine Rezension), recherchierte ich ein wenig weiter und stieß so auf dieses Fachbuch:

Eine Schatztruhe der frühen Meiji-Zeit. Michael Moser und seine photographischen Arbeiten aus Japan (hier der Link zum Buch bei Amazon - dann bekomme ich eine kleine Provision, mir wäre es dennoch lieber, wenn Sie das Buch bei Interesse im lokalen Buchhandel kaufen, um diesen zu unterstützen.)

Und als Schatztruhe würde ich das Buch definitiv im Hinblick auf die enthaltenen Grafiken und Fotografien bezeichnen. Da ich selbst einmal in Japan war und gewissermaßen die moderne Seite des Landes kenne (von der Oberfläche her), wurde ich beim Betrachten der Bilder durchaus wehmütig - nach dem Motto, tempus fugit...und auch besagter Michael Moser, der auf den Selbstdarstellungen so jung und gesund aussieht, ist längst verstorben (und ruhe in Frieden).

Dem Buch vorangestellt sind exzellente Einleitungen. Eine davon stammt vom Botschafter von Japan in Österreich und spannt einen kenntnisreichen und gut geschriebenen Bogen zur japanisch-österreichischen Geschichte. Auch das Vorwort des Enkels von Michael Moser ist lesenswert, da es einige persönliche Aspekte anführt.

Mit unter 20 als Fotograf in Japan selbständig machen - im 19. Jahrhundert! Hier die geschmackvolle Visitenkarte von Michael Moser. Quelle: Buch

Der größte Teil des Buches indes wird durch das Tagebuch von Michael Moser und diverse Briefe von ihm und an ihm ausgemacht.

Hier lässt sich als Leser durchaus ein bemerkenswerter Reifungsprozess bei Michael Moser feststellen. Er geht mit offenem Blick an fremde Kulturen heran und ist von anpackender Art, auch und gerade, als er alleine in Japan zurückbleibt und sich durchschlägt. Eine bemerkenswerte Persönlichkeit mit großen Gottvertrauen.

Der genannte Reifungsprozess impliziert aber auch, dass die frühen Aufzeichnungen von Michael Moser aus meiner bornierten Sicht heraus keineswegs besonders lesenswert sind. Es gilt zu beachten, dass es da um einen 16jährigen geht, der das erste Mal in seinem Leben eine längere Reise auf einem Schiff unternimmt. Das bedeutet eben, dass es sich da seitenweise um - aus unserer Sicht - Banalitäten dreht. Wann war er seekrank, wann sah er einen Delfin, wann einen ihm unbekannten Vogel, wer an Bord verstarb...das ganze in einem Stil geschrieben, der wahrscheinlich seiner Umgangssprache entsprach.

In diesem Stil geht es über mindestens 100 Seiten weiter - und damit über rund ein Drittel des Buchs. Die späteren Schilderungen sind deutlich besser geschrieben und teilweise mitreißend - doch mein Fazit ist, dass Michael Meier ein besserer Fotograf als Autor war. Zudem ist zu beachten, dass seine Tagebücher auch wohl kaum zur Veröffentlichung bestimmt waren, weshalb er sich da vielleicht in Bezug auf den Stil nicht sehr viel Mühe gab.

Insofern ein durchwachsenes Fazit meinerseits für: Eine Schatztruphe der frühen Meiji-Zeit

Positiv erwähnen möchte ich noch die Arbeit der Autoren Peter Pantzer und Nana Miyata (und des Lektorats?) im Hinblick auf die fachlichen Anmerkungen. Denn wenn Michael Moser z.B. ein preußisches Schiff erwähnt oder einen Kaufmann, den er trifft, dann wird im Buch per Fußnote erläutert, um welches Schiff oder welchen Kaufmann es sich da handelte. Chapeau!

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ihr

Michael Vaupel

Diplom-Volkswirt / M.A.

Michael Vaupel

"Fairness, Respekt vor Mensch und Tier sowie der gewiefte Blick für clevere Investment-Chancen - das lässt sich meiner Ansicht nach sehr wohl vereinen. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir diese Ansicht gemeinsam vertreten werden - auch gegen den Mainstream."

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