Rezension: Im Spiegel der Sprache

Rezension: Im Spiegel der Sprache

Verändert sich die Welt, wenn sie durch die "Brille" einer anderen Sprache gesehen wird?

Im südlichen Afrika traf ich auf ein Sprichwort, welches übersetzt sinngemäß bedeutet: So viel Sprachen du sprichst, so oft bist du Mensch.

Bisher maß ich dem keine größere Beachtung bei. Ob ein "Buch" nun "book" oder "libre" heißt, das ändert doch wohl kaum meine Wahrnehmung.

Nach der Lektüre dieser interessanten Neuerscheinung Im Spiegel der Sprache kann ich das so pauschal nicht mehr unterschreiben.

Ein Beispiel: Deutschsprechenden fällt es dem Autoren zufolge tendenziell leichter, sich männliche Namen zu merken, die mit einem Apfel verknüpft sind.

Spanischsprechende hingegen können dies besser mit weiblichen Namen.

Der Grund: Apfel hat im Deutschen bekanntlich den männlichen Artikel "der", während Apfel auf spanisch weiblich ist.

Ein anderes Beispiel:

Der Autor führt das Beispiel einer Sprache der Aborigines an. Dort gibt es keine Wörter für "links" oder "rechts". Wenn der Sprecher einer solchen Sprache z.B. beschreiben soll, in welche Richtung sich in einem Fernsehfilm eine Person bewegt, dann wird er sinngemäß z.B. "nach Norden" sagen. Der Autor dazu: "Wenn die alten Leute die Geschichte erzählen, dann weiß man immer, wie der Fernseher gestanden hat."

Und ist es möglich, dass die Menschen in der Antike Farben ganz anders wahrgenommen haben? Der Autor verweist z.B. auf Schilderungen von Homer ("grünes Gold", "grüner Honig") und geht diesem Punkt ausführlich auf den Grund.

Ich spreche Spanisch zu Gott, Italienisch zu den Frauen, Französisch zu den Männern und Deutsch zu meinem Pferd.

Karl V.

Der Autor stellt diverse Dinge klar. Ein Beispiel: Tendenziell gilt, dass die Zahl der Laute einer Sprache umso größer ist, je größer die Zahl ihrer Sprecher ist. Es gibt aber auch Ausnahmen.

Ein Teil der Inhaltsangabe. Quelle: Verlag

Und hier zeigt sich ein Punkt, der für Nicht-Linguisten wie mich eher ermüdend im Hinblick auf die Lektüre wirkte. Die Aussage des vorigen Satzes mit der Anmerkung, dass es auch Ausnahmen gibt, hätte mir gereicht - vielleicht noch mit Nennung von zwei, drei solchen Ausnahmen.

Doch hier wird darauf verwiesen, dass z.B. das Färöische mit unter 50.000 Sprechern auf 39 Konsonanten und über 10 Vokale kommt, während das Malaiische mit über 17 Mio. Sprechern nur auf  16 Konsonanten und 6 Vokale kommt.

Oder Beispiel Farbbeschreibungen in Homers Ilias. Da verweist der Autor seitenlang auf William Eward Gladstone, der dieses Thema im 19. Jahrhundert behandelte. Das wäre eine interessante Randnotiz, doch bei Behandlung über 16 Seiten fand ich diesen Aspekt zu detailliert, schlicht "too much" (wie der Angelsachse sagt) im Hinblick auf ein Buch, das sich an interessierte Laien und keine Linguisten richtet.

Mein Fazit:

Wer sagt eigentlich, ob "türkis" eher dem grün oder dem blau zuzuordnen ist - in anderen Kulturen gibt es vielleicht ganz andere farbliche Einordungen. Und was in einer Sprache schlicht "Onkel" ist, wird anderswo differenziert (jeweils eigene Worte für Brüder von Mutter oder Vater). Legendär natürlich auch Beispiele von Kulturen, die z.B. zahlreiche Bezeichnungen für "Schnee" haben. Die Lektüre dieser Neuerscheinung führte bei mir dazu, bestimmte Gewissheiten zu hinterfragen. Der Autor versteht es eigentlich auch, gut verständlich und teilweise mit einem Augenzwinkern zu schreiben (beispielsweise hat mich seine Schilderung eines Berliner Taxifahrers gefreut). Doch aus meiner Sicht wäre hier weniger mehr gewesen. Zu detailliert, zu umständlich, mit Aspekten, welche Nicht-Linguistiker eher peripher tangieren. Letztlich hat dies mein Lesevergnügen getrübt - was wie üblich meine rein subjektive Einschätzung ist, die auch gegen mich selbst sprechen kann.

Guy Deutscher: Im Spiegel der Sprache

Eine kostenlose Leseprobe in Form einer PDF-Datei finden Sie unter diesem Link.

Mit freundlichem Gruß!

Ihr

Michael Vaupel

Diplom-Volkswirt / M.A.

Michael Vaupel

"Fairness, Respekt vor Mensch und Tier sowie der gewiefte Blick für clevere Investment-Chancen - das lässt sich meiner Ansicht nach sehr wohl vereinen. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir diese Ansicht gemeinsam vertreten werden - auch gegen den Mainstream."

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