Rezension: Tête-à-Tête

Rezension: Tête-à-Tête

Ein guter alter Bekannter, den ich sehr schätze - obwohl ich nie besonders engen Kontakt zu ihm hatte - schrieb mir neulich diese Zeilen:

"Ich grüße dich heute aus Le Bugue im Herzen des Périgord. Ein Kollege von Dir, Martin Walker, Journalist, Historiker, Autor, u.a. The Guardian und Experte für den kalten Krieg, hat mich zuvorderst mit seinen belletristischen Ausflügen auf diesen Ort aufmerksam gemacht."

Besagter Freund ist in der Finanzbranche tätig und dennoch (haha) eine ehrliche Haut und absolut bodenständig. Das zeigt schon sein alter Spitzname, der grenzwertig eloquent "Pommes" lautet. Ich zitiere einen weiteren Abschnitt aus seiner Nachricht, die er mir jüngst aus dem Urlaub schickte:

Ist eine Rückbesinnung auf eine teilweise Eigenversorgung und die Freude daran wie auch der Verzicht auf allzu überdimensionierte Errungenschaften der modernen Technik nicht gerade in der heutigen Zeit modern und angezeigt? Es muss ja nicht „der alte Geist“ sein, der damit zurück aus den Flaschen kommt! Apropos: Die Bergerac-Weine müssen sich hinter den großen Brüdern aus dem benachbarten Bordeaux nicht wirklich verstecken. Ich hebe mein Glas und proste Dir geerdet zu.

Da war meine Neugier geweckt.

Von der Region Périgord im Südwesten Frankreichs hatte ich schon einmal etwas gelesen...und von den Malereien von Steinzeitmenschen im dortigen Tal der Vézère...viel mehr aber auch nicht.

Als grundsätzlich neugieriger Mensch begab ich mich umgehend auf eine knallharte Wikipedia-Recherche zur Region und zum genannten Autor. Und schnell erfuhr ich dabei, dass genannter Martin Walker der Autor einer Krimi-Reihe ist, in welcher der Protagonist (der ältere Bruno, Chef de Police) im Herzen des Périgord ermittelt. Und wie es der Zufall wollte, ist seit Kurzem ein neuer Band der Reihe erschienen - mit dem vierzehnten Fall des besagten fiktiven Polizisten Bruno.

Da ich für einen guten Krimi zu haben bin (Problem ist eher die fehlende Zeit) und ich nach der Nachricht meines Bekannten neugierig auf die Region Périgord geworden war, entschloss ich mich zur Lektüre des genannten Buchs, erschienen im Diogenes Verlag.

Und schon nach wenigen Seiten wurde ich gewissermaßen entschleunigt. Denn zunächst ging ich in etwa so an das Buch heran: Ja, ein bisschen "flavour text" am Anfang, der Polizist wird kurz beschrieben - aber nun Butter bei die Fische, um welchen Fall geht es?

Doch nichts da - zunächst geht es um zunächst störend wirkende Details. So gibt es zunächst Hunde-Nachwuchs für Bruno, er trifft sich mit einem alten Kollegen, dem Bürgermeister...es wird geschildert, wie er das Abendessen vorbereitet...

Mein erstes Gefühl war zunächst Hochachtung vor dem Schreibstil, der sehr anschaulich auch Dinge wie das Abendessen vor meinem geistigen Auge erscheinen ließ. Doch dann kam ein gewisser Ärger dazu:

Wann geht es denn nun "richtig" los?

Gewiss, es ging dann auch "richtig" los, nämlich im Hinblick auf einen Mordfall. Doch nach und nach begriff ich, dass in dieser Reihe der behandelte Kriminalfall keineswegs die alleinige "Hauptrolle" spielt.

Denn die Beschreibungen von Landschaften und Dörfern des Périgord sowie Charakterisierungen der Handelnden und Nebenhandlungen spielen eine ebenso gewichtige Rolle.

Und gerade dadurch, dass anschaulich geschildert "banale" Dinge passieren, kam die Entschleunigung des Lesers (in dem Fall "ich") zustande.

Abgelenkt wurde ich durch gelegentliches Recherchieren im Internet aufgrund genannter Delikatessen.

Ein Beispiel: Als der Protagonist mit einem befreundeten Paar zwischendrin essen geht, wählte Rosalie "für sich einen salade de gésiers, Alain eni confit de canard und Bruno einen salde de chèvre chaud, mit Ziegenkäse."

Als träger Durchschnittsmensch sagten mir die genannten Gerichte nichts - weshalb ich das im Internet nachschaute. Das geschah mehrere Male, übrigens auch im Hinblick auf genannte Sehenswürdigkeiten im Périgord.

Irgendwann war es soweit: Ich fühlte mich so, als würde ich dem Protagonisten im Périgord unsichtbar über die Schulter schauen. Da er selbst ein entspannter "Macher" mit Fokus auf kulinarischen Genuss ist, war die Lektüre für mich äußerst angenehm.

Und achja, der Kriminalfall. Dabei geht es um ein unbekanntes Mordopfer, der auf einem wilden Campingplatz vor ca. 30 Jahren ermordet wurde. Bruno kommt nach dem Besuch eines Prähistorischen Museums auf die Idee, mit HIlfe des Totenschädels den Kopf rekonstruieren zu lassen - so, wie es mit einigen Steinzeitmenschen geschehen ist.

Mehr möchte ich zum Fall selbst an dieser Stelle zur Vermeidung von "Spoilern" nicht verraten.

Insgesamt hat mir die Lektüre des Krimis sehr gut gefallen. Ein bisschen zuviel wurde es mir, wenn einzelne Weine der Region näher beschrieben wurden - das war mir einen Tick zuviel "Wein-Snob". Aber das mag eher gegen mich als gegen das Buch sprechen.

Mein Fazit: Insgesamt eine äußerst passende Urlaubslektüre:

Martin Walker: Tête-à-Tête. Der vierzehnte Fall für Bruno, Chef de Police

Eine kostenlose Leseprobe finden Sie bei Interesse unter diesem Link.

Angenehme Lektüre! Und wie es schon mein Bekannter schrieb: Ich habe mein Glas und proste Ihnen geerdet zu.

Ihr

Michael Vaupel

Diplom-Volkswirt / M.A.

Michael Vaupel

"Fairness, Respekt vor Mensch und Tier sowie der gewiefte Blick für clevere Investment-Chancen - das lässt sich meiner Ansicht nach sehr wohl vereinen. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir diese Ansicht gemeinsam vertreten werden - auch gegen den Mainstream."

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