Rezension: Vom Intelligenten Investieren

Rezension: Vom Intelligenten Investieren

Ein Volkswirt, den ich seit Jahren schätze, ist Thorsten Polleit. Er ist seit 2012 Chefvolkswirt der Degussa und seine dort veröffentlichten Texte lese ich grundsätzlich gerne. Diese Text haben - natürlich, Stichwort Degussa - meist einen Bezug zu Edelmetallen, behandeln aber auch gut geschrieben volkswirtschaftliche und geldpolitische Themen.

Als ich mitbekam, dass Thorsten Polleit inzwischen ein Buch geschrieben hat, wurde ich neugierig:

Vom Intelligenten Investieren

Hier meine Einschätzung:

Bereits der Titel des Buchs "Vom Intelligenten Investieren" erinnerte mich an den Titel eines Investment-Klassikers, nämlich "Intelligent investieren" von Benjamin Graham. Letzterer ist bekanntlich einer regelrecht legendärer Value Anleger (er ruhe in Frieden).

Und auch Thorsten Polleit tritt für diesen Investment-Stil ein. Da ich selber Volkswirt bin, hat es mich sehr gefreut, dass er mit den Ansichten der "Mainstream-Ökonomen" gründlich aufräumt. Perfekte Märkte, Makteffizizenzhypthese? Findet er genauso wie ich auch falsch und irreführend. Auch Kennzahlen wie das Sharpe-Ratio kritisiert er begründet. Denn es ist durchaus fragwürdig, Volatilität als alleine Kennzahl für "Risiko" zu nehmen.

Natürlich sehe ich nicht alles so wie der Autor. Beispiel Steuern. Die sind für ihn "Raub". Denn es sei "nach allen vernünftigen Maßstäben unethisch", dass der Staat "den Bürgern einen Teil ihres Einkommens abzwingt". Das lässt sich aus Sicht eines gut bezahlten Chefvolkswirts der Degussa natürlich so schreiben. Doch wenn er eine alleinerziehende Mutter wäre, die unverschuldet in Not geraten ist, würde er das vielleicht einen Tick anders sehen. Nur meine Vermutung.

Doch es geht hier ja nicht darum, was ich genauso oder anders sehe als der Autor. Sondern darum, ob das Buch Nutzwert bringt und gut lesbar ist (aus meiner Sicht).

Dazu kann ich festhalten, dass das Buch für Investoren, die noch nicht besonders fortgeschritten sind, durchaus hohen Nutzwert bietet. Denn Polleit behandelt diverse Punkte und spricht Klartext. So betont er z.B., dass derjenige, der sich nicht zutraut, den Markt outzuperformen, besser auf ETFs setzen sollte.

Einen Punkt möchte ich aber kritisieren: Laut dem Einleitungstext besteht das Buch im Wesentlichen aus den vom Autor in der Wirtschaftswoche Online seit Anfang 2017 geschriebenen Kolumnen. Eine solche Zweitverwertung in Buchform ist natürlich völlig legitim. Sie hat aber aus meiner Sicht den Nachteil, dass es hier keine aufeinander aufgebauten Kapitel gibt. Und es gibt deshalb auch diverse Wiederholungen. Ich weiß nicht, wie oft ich gelesen habe, dass sich "Preis" und "Wert" einer Aktie unterscheiden und dass man *jetzt alle mitsprechen* natürlich nur dann kaufen soll, wenn der Preis einer Aktie unter ihrem Wert liegt.

Zum Thema Berechnung des Wertes nennt Polleit die Methode der abdiskontierten zukünftigen Erträge. Das klingt leicht, doch in der Praxis ist es das keineswegs (und ich spreche aus der Praxis). Welcher Zinssatz soll gewählt werden? Und wie wird z.B. der Gewinn der ALLIANZ für das Jahr 2023 geschätzt?

Insgesamt ein schöner Überblick über diverse Aspekte zum Thema Value Investing. Es gilt, kritisch zu lesen, denn der Autor begründet seine Ansichten nicht immer. Es geht hier eher um "zeitlose Prinzipien" als um konkrete Tipps fürs Value Investieren.

Vom Intelligenten Investieren

Eine kostenlose Leseprobe des Buchs finden Sie direkt beim Verlag unter diesem Link

Mit herzlichem Gruß!

Ihr

Michael Vaupel

Diplom-Volkswirt

Michael Vaupel

"Fairness, Respekt vor Mensch und Tier sowie der gewiefte Blick für clevere Investment-Chancen - das lässt sich meiner Ansicht nach sehr wohl vereinen. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir diese Ansicht gemeinsam vertreten werden - auch gegen den Mainstream."

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