Zwiespältige Auswirkungen von MiFID II auf KMU

Zwiespältige Auswirkungen von MiFID II auf KMU

Das Gegenteil von gut ist gut gemeint...

...wer kennt es nicht, dieses Bonmot aus dem Alltagsleben.

Der eine oder die andere mag dabei auch an MiFID II denken (MiFID = Markets in Financial Instruments Directive). Diese Richtlinie der Europäischen Union hat gut gemeinte (!) Ziele. Als solche nennt Wikipedia dazu "mehr Anlegerschutz, verstärkter Wettbewerb und eine Harmonisierung des europäischen Finanzmarktes. "

Quelle: Wikipedia Eintrag zu Richtlinie 2004/39/EG über Märkte für Finanzinstrumente

Welcher institutionelle oder private Anleger würde solche Ziele nicht ebenfalls unterstützen? Doch in der konkreten Umsetzung können Regelungen von MiFID II durchaus zwiespältig zu sehende Auswirkungen haben. Getreu dem Zitat von Yogi Berra:

Theoretisch gibt es keinen Unterschied zwischen Theorie und Praxis, praktisch aber schon.

In diesem Beitrag soll es um die Auswirkungen von MiFID II auf die Beziehungen zwischen börsennotierten Unternehmen und Finanzdienstleistern gehen.

Da gab es vorher die offenbar beliebte Praxis, dass Broker/Banken für börsennotierte Aktien aus dem Bereich Small Cap/Mid Cap Analysen erstellten. Kostenlos - sprich, das analyisierte Unternehmen zahlte dafür zunächst nichts. Für das Unternehmen hatte das den Vorteil, auf ein sogenanntes Coverage der eigenen Aktie verweisen zu können. Gerade für sogenannte KMU.

Finanzen Know How: KMU steht für "kleine und mittlere Unternehmen"

Doch ganz so kostenlos war dies nicht - oder vielmehr: Eine Hand wusch die andere. Denn besagte Finanzdienstleister erbrachten dann wahrscheinlich auch gerne sonstige Dienstleistungen für das betreffende Unternehmen, wie Platzierung von Mittelstandsanleihen, Durchführung von Kapitalerhöhungen, Market Maker von börsennotierten Wertpapieren des jeweiligen Unternehmens...

Diese beiden Punkte - Research einerseits und Finanzdienstleistungen andererseits - konnten vor MiFID II verrechnet werden.

Dem hat MiFID II mit Einführung 2018 einen Riegel vorgeschoben: Denn unter MiFID II müssen die genannten Dienstleistungen separat verbucht werden, was auch eine getrennte Bepreisung bedeutet. Diese genannte Vorgehensweise der Art "eine Hand wäscht die andere"-Verrechnung ist somit nach Einführung von MiFID II nicht mehr möglich.

Die unmittelbare Folge der Einführung von MiFID II war in Bezug auf diesen Punkt deshalb, dass Analysen/Coverage von börsennotierten KMU erheblich unattraktiver wurde. Denn wenn die Quersubventionierung wegfällt, wird es sich ein Finanzdienstleister zwei Mal überlegen, bevor "kostenlos" die Aktie eines Small Caps analysiert wird. Wahrscheinlicher ist es, dass die auch bei Finanzdienstleistern begrenzten Ressourcen sich dann auf das Coverage von eher attraktiven Aktien mit tendenziell höherer Marktkapitalisierung beschränken.

Als unmittelbare Folge der Einführung von MiFID II mag sich deshalb die Darstellung von KMU an den Finanzmärkten verschlechtert haben. Denn weniger "Coverage" bedeutet eben auch, dass die Wertpapiere dieser KMU auch tendenziell weniger wahrgenommen werden. So manch eine Analyse mag für Investoren - private oder institutionelle - zum Anlass genommen worden sein, sich selber näher mit dem Unternehmen bzw. dessen Wertpapieren zu befassen. Bei Wegfall solcher Analysen ist damit das Kapitalmarktinteresse an besagten KMU aufgrund dieses Faktors zunächst tendenziell zurückgegangen.

Mittel- bis langfristig kann das aber ganz anders aussehen. Denn MiFID II hat in diesem Punkt auch zu einer deutlichen Verbesserung geführt: Einem Wegfall bzw. Verringerung von Interessenkonflikten. Denn wenn ein Finanzdienstleister/Broker/Bank den Auftrag hat, eine Kapitalerhöhung eines KMU durchzuführen und dann zudem "kostenlos" einen Research-Bericht über genau dieses Unternehmen schreibt...

...dann könnte natürlich die Möglichkeit bestanden haben (ich formuliere bewusst vorsichtig), dass diese Analyse im Zweifel eher einen Tick zu positiv als zu negativ ausfiel.

Diesen Interessenkonflikt hat die Einführung von MiFID II aufgrund der geforderten getrennten Bepreisung solcher Dienstleistungen nun zumindest deutlich verringert.

Wenn ein KMU nun Research zu eigenen Wertpapieren haben möchte, dann muss ein Research-Haus dafür bezahlt werden. Das hat natürlich seinen Preis - doch wenn es ein seriöses Research-Haus ist und die Anleger(innen) dadurch einen echten Erkenntnisgewinn haben, kann dies letztlich das Kapitalmarktinteresse für solche KMU erhöhen. Im Sinne einer tendenziell verbesserten Kapitalmarkthygiene wäre das durchaus zu begrüßen.

Da dieser Prozess noch aktuell ist, können sich im Hinblick auf diesbezügliche Auswirkungen der MiFID II-Einführung das kommende Jahr durchaus interessant werden.

Mit freundlichem Gruß!

Ihr

Michael Vaupel

Diplom-Volkswirt

Michael Vaupel

"Fairness, Respekt vor Mensch und Tier sowie der gewiefte Blick für clevere Investment-Chancen - das lässt sich meiner Ansicht nach sehr wohl vereinen. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir diese Ansicht gemeinsam vertreten werden - auch gegen den Mainstream."

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