Der Immun Guide
Wie stärke ich mein eigenes Immunsystem? Diese Frage und die Suche nach Antwort(en) beschäftigen mich trägen Durchschnittseuropäer nicht nur in Zeiten der Pandemie.
Das Immunsystem kann aber auch "überreagieren" - Stichwort Autoimmunerkrankungen. Wie kann ich Entzündungen vorbeugen und dem Angriff von z.B. Viren mehr entgegensetzen? Antworten auf diese Fragen verspricht die Neuerscheinung "Der Immun Guide" von Dr James DiNicolantonio (Dr. der Pharmazie, Forschung im Gebiet Herz-Kreislauf-Erkrankungen, so der Verlag). Als Co-Autor wird Siim Land genannt - dieser ist indes kein Mediziner, sondern laut Verlag Autor, Vortragsreder, Biohacker...ich habe eben mal in seinen Youtube-Kanal reingeschaut...
Hier zunächst der Blick auf die Inhaltsangabe:
Soviel vorab: Ich habe einige nützliche Tipps durch die Lektüre des Buchs gewinnen können. Und zwar alltagstaugliche Tipps. Beispiel "Hormesis": es ist gar nicht verkehrt, sondern sogar gut, den eigenen Körper ab und zu gewissen Anstrengungen auszusetzen. Gewiss, der übliche Sport. Aber die Autoren nennen auch Dinge wie Hitze- oder Kälte-Stress - und verweisen da insbesondere auf die Nützlichkeit von Saunagängen.
Positiv für Herz-Kreislauf und auch für das Immunsystem, da erhöhte Temperatur eine gewisse Simulation von Fieber ist und das Immunsystem aktivieren kann. Auch leichtere Erkrankungen ab und zu sind demnach durchaus gut, um das eigene Immunsystem zu trainieren. Es werden aber auch Warnungen ausgesprochen, wie z.B. keinerlei Alkohol vor/während des Saunabesuchs - denn starke Hitze in Kombination mit Alkohol erhöht den Blutdruck stark.
Sinnvoll dem Buch zufolge auch: Ab und zu mal mit Salz gurgeln.
Wichtig für das Immunsystem: Vitamin D, das der Körper selbst bilden kann, aber nur wenn er Sonne ausgesetzt ist. Also viel an der frischen Luft sein und dort zumindest spazieren gehen (oder noch besser, Sport treiben). Vor diesem Hintergrund sieht der zeitweise gefahrene Ansatz in der aktuellen Pandemie - zu Hause bleiben, Sportvereine verlieren Hunderttausende Mitglieder/innen - keineswegs passend aus.
Und dann natürlich die Ernährung:
Vieles hier Genannte ist aus meiner Sicht allgemein bekannt, es wird hier aber gut zusammengetragen. Mehrere Tipps fand ich sehr nützlich. Beispiel Knoblauch. Gesund, gewiss. Doch wer sich das gute, im Knoblauch enthaltene Alliein einverleiben möchte, sollte die Knoblauchzehe zerdrücken. Denn zerdrückter Knoblauch senkt Cholesterin, Triglyzeride, Blutdruck und MDA (so die Autoren) - aber nur, wenn er zerdrückt wird. Knoblauch wirkt zudem als gutes antibakterielles Mittel. Nunja, das mit dem Geruch ist so eine Sache.
Insgesamt habe ich dem Buch gute und nützliche Tipps entnommen und möchte an dieser Stelle auch die beiden Übersetzerinnen Ulrike Strerath-Bolz und Susanne Guidera ausdrücklich lobend erwähnen.
Eine klare Empfehlung für das Buch möchte ich dennoch nicht aussprechen. Und das kommt daher:
Gerade der erste Teil des Buches mit den Grundlagen ist für medizinische Laien wie mich sehr kompliziert geschrieben. Sie mögen nun einwenden, dass das gegen mich und nicht gegen das Buch spricht, und hätten damit wahrscheinlich vollkommen Recht. Aber vielleicht bin ich nicht der Einzige, den Sätze wie dieser (Seite 65, ich zitiere) abschrecken:
Inwzwischen wissen wir, dass es dabei vor allem um das zytotoxische T-lympthozytenassoziierte Protein 4 (CTLA4), das Programmed Cell Death 1-Protein (PD-1 oder PDCD-1) und das Ligand 1 (PD-LI) geht."
Oder noch ein Beispiel, Seite 33:
Entzündungs-Zytokine wie Interleukin-6 (IL-6), Interleukin-1 beta (..) und der Tumornekrosefaktor (...) reduzieren die Umwandlung von T4 in T3.
Alles klar? Bei mir keineswegs.
Auch folgenden Punkt sah ich kritisch: Der Verlag verweist darauf, dass das Buch mit "Ergebnissen aus über 2.000 Quellen, Studien und Forschungen" untermauert ist. Das klingt natürlich prima - es bedeutet hier aber auch, dass es Hunderte Fußnoten gibt und dass das Quellenverzeichnis über 100 Seiten (!) lang ist, mit Verweisen auf englischsprachige Quellen in z.B. Fachmagazinen.
Das ist für eine medizinische Publikation natürlich klasse - aber für einen Ratgeber, der sich an medizinische Laien richtet, finde ich das unpassend.
Insofern ein gemischtes Fazit meinerseits für:
Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende!
Ihr
Michael Vaupel
Diplom-Volkswirt / M. A.
P.S. Deutlich besser gefallen im Hinblick auf die Aufarbeitung eines Gesundheitsratgebers hat mir die Neuerscheinung "Biohacking fürs Gehirn", im selben Verlag erschienen (hier meine Rezension dazu).