Neutral-Moresnet
Ich möchte diesen Beitrag mit einem Zitat beginnen:
„Wir haben das Glück, eigentlich gar nicht regiert zu werden. Ich hoffe im Interesse der Bürger, dass dieser Zustand erhalten bleibt.“
Von wem dieses Zitat stammt und von wann – dazu später mehr.
Für diejenigen, welche „historische Erzählkunst auf höchstem Niveau“ (NRC Handelsblad) ebenfalls schätzen, habe ich eine Empfehlung:
Das Buch Niemands Land von Philip Dröge.
Es geht da um eine wahre historische Skurrilität – die „unglaubliche Geschichte von Moresnet, einem Ort, den es eigentlich gar nicht geben durfte“ (so der Untertitel des Buches).
Dabei geht es um ein Gebiet namens „Neutral-Moresnet“, das im Grenzgebiet Belgien-Niederlande-Preußen bzw. später Deutschland lag. Auf dem Wiener Kongress hatte man sich über dieses nur 3,4 Quadratkilometer große Gebiet westlich von Aachen nicht einigen können.
Warum? Dort lagen große Vorkommen an Zinkspat, ein für die Herstellung von Zink notwendiges Mineral. Und 1815 wollten weder Preußen noch die Niederlande dieses strategisch wichtige Rohstoff-Vorkommen dem jeweils anderen überlassen.
So kam es zu dem, was als Provisorium gedacht war: „Neutral-Moresnet“. Dieses Provisorium bestand dann länger als die Sowjetunion. Durch den Wiener Kongress geschaffen, bestand dieses Gebiet bis zum Ersten Weltkrieg.
Gemeinsam von den Niederlanden und Preußen verwaltet – später übernahmen die Belgier, als sie 1830 die Unabhängigkeit erlangten.
Soweit die Rahmendaten. Philip Dröge schafft es, darum herum eine äußerst kurzweilige und unterhaltsame wie informative Geschichte zu schreiben – basierend auf den Fakten.
So basierte das Rechtssystem in Neutral-Moresnet auf dem von Napoleon eingeführten Code Civil. Und als in den Nachbarländern das Glücksspiel verboten wurde, wurde in Neutral-Moresnet ein Casino eröffnet. Es gab dort exakt einen Dorfpolizisten. Die Bewohner sprachen üblicherweise mehrere Sprachen. Verbrauchssteuern wurden nicht erhoben, weshalb Lebensmittel und – besonders – Alkohol dort erheblich günstiger als im Umfeld waren. Und wer dort ansässig war, musste in Preußen oder Belgien keinen Wehrdienst leisten.
Es gab die Bestrebung, dort „Esparanto“ als Amtssprache einzuführen. Kein Witz! Auch diese Episode wird im Buch geschildert.
Ein liebenswertes „Lummerland“, das laut Klappentext „zu einem Eldorado für Schmuggler, Abenteurer und Träumer aller Couleur“ wurde.
Das zu Beginn das Beitrags genannte Zitat soll laut Buch übrigens von Hubert Schmetz stammen: Bürgermeister/Staatsoberhaupt von Neutral-Moresnet um 1890.
Die gute alte Zeit? Für mich klare Leseempfehlung für:
Beste Grüße!
Ihr
Michael Vaupel
Magister Artium