Rezension: Briefe eines erfolgreichen Kaufmanns…

Briefe eines erfolgreichen Kaufmanns

Rezension: Briefe eines erfolgreichen Kaufmanns…

Die Lektüre von "Briefe eines erfolgreichen Kaufmanns an seinen Sohn" war mir empfohlen worden. Vor über 100 Jahren in den USA verfasst und in Buchform herausgegeben, würden diese locker geschrieben Weisheiten vermitteln, die auch heute noch Aktualität haben, so hieß es.

Als nun vorigen Monat eine deutsche Version erschienen ist, habe ich mich umgehend an die Lektüre gemacht. Hier meine Einschätzung:

Zunächst einmal eine Klarstellung. Die Briefe selbst sind - fiktiv. Der Autor namens George Horace Lorimer war ein Journalist und Autor, und legte die Briefe zu Beginn des 20. Jahrhunderts einem fiktiven Fleisch-Fabrikanten gewissermaßen in die Feder.

Und insofern haben die "Briefe" durchaus einen Erkenntnisgewinn für mich gebracht. Weniger in Bezug auf die dort vertretenen Weisheiten, als vielmehr im Hinblick auf den Zeitgeist bzw. auf das, was ein US-Journalist vor ca. einem Jahrhundert als empfehlenswert betrachtete.

So finden sich einige passende Empfehlungen - wie die, als der fiktive Vater seinem Sohn rät, in Geschäftsdingen so vorzugehen:

  1. Habe etwas zu sagen.
  2. Sage es.
  3. Schweige.

Als jemand, der an diversen Finanz-Seminaren/Kongressen teilgenommen hat, wäre mein Wunsch gelesen, dass diverse Personen dort diesen Rat befolgt hätten.

Es folgen diverse andere Ratschläge, die gewiss nicht verkehrt sind, doch als besondere "Weisheit" würde ich sie nicht bezeichnen. Es geht da um Dinge wie sei sparsam, erlange Bildung - aber nicht zu viel, denn setze auch auf die Praxis und teste an ihr die Theorien etc. pp.

Doch weder hatte ich bei der Lektüre ein "ach-das-ist-ja-eine-interessante-Weisheit"-Gefühl, noch fühlte ich mich unterhalten in dem Sinne, dass ich schmunzeln musste. Denn oft genug erwies sich der Vater in seinen Briefen als relativ borniert und auch autoritär. Ein Beispiel:

Der Sohn bittet den Vater brieflich um Erlaubnis, nach seinem Studium vor dem Eintritt in den Beruf eine Europa-Reise unternehmen zu dürfen. Der Vater lehnt ab, u.a. mit dem Hinweis, dass "Kultur keine Sache der Klimaveränderung" sei. Der Wechsel von Harvard in die Fleischfabrik werde ihm "genügend Zerstreuung bieten, um dich in Form zu halten".

Oder die Zurechtweisung seines Sohns, als dieser während der Arbeitszeit einen privaten Brief verfasste, mit den Worten:

"Aber du kannst diese Art Korrespondenz nur nach sechs Uhr abends oder vor acht Uhr morgens führen. Die Zeit dazwischen gehört mir; ich habe sie gekauft. Deine Zeit ist Geld - mein Geld.."

Ist mir nicht gerade sympathisch. Noch ein Beispiel. In Bezug auf die Auswahl einer Ehefrau rät der fiktive Vater in Bezug auf die Braut:

"Äußere Schönheit ist zwar oberflächlich, aber sie reicht tief genug, um einen vernünftigen Mann zufriedenzustellen."

Das mag "Mann" so sehen, doch als weisen väterlichen Rat würde ich das bestimmt nicht sehen. Aber das ist natürlich nur meine subjektive Ansicht.

Wie gesagt, im Hinblick auf das, was der Autor im Hinblick auf einen "vernünftigen Mann" vor gut 100 Jahren als empfehlenswert erachtete, ist die Lektüre bereichernd. Doch nützliche Tipps oder gar Weisheiten für die Lebensführung habe ich in dem Büchlein Briefe eines erfolgreichen Kaufmanns an seinen Sohn vergeblich gesucht.

Diesbezüglich fand ich die Lektüre der in etwa zur selben Zeit (Anfang des 20. Jahrhunderts) veröffentlichten "Buddenbrooks" erheblich bereichernder. Folgende Zitate daraus:

"Mein Sohn, sei mit Lust bei den Geschäften am Tage, aber mache nur solche, daß wir bei Nacht ruhig schlafen können."

"Im Spiele zu arbeiten und mit der Arbeit zu spielen, mit einem halb ernst, halb spaßhaft gemeinten Ehrgeiz nach Zielen zu streben, denen man nur einen Gleichniswert zuerkennt – zu solchen heiter-skeptischen Kompromissen gehört auch viel Frische, Humor und guter Mut."

- Aus den Buddenbrooks von Thomas Mann

Ich wünsche Ihnen einen guten Wochenstart!

Michael Vaupel

Diplom-Volkswirt

Michael Vaupel

"Fairness, Respekt vor Mensch und Tier sowie der gewiefte Blick für clevere Investment-Chancen - das lässt sich meiner Ansicht nach sehr wohl vereinen. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir diese Ansicht gemeinsam vertreten werden - auch gegen den Mainstream."

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